Im Auftrag der Nation: Japan will Vize-Weltmeister stürzen

von Marcel Breuer | dpa12:00 Uhr | 04.12.2022
In Japan herrscht nach den Siegen gegen Deutschland und Spanien WM-Euphorie - wie hier in einer Sportsbar in Tokio.
Foto: kyodo/dpa

Die japanische Höflichkeit hat offenbar ihre Grenzen. Einige Journalisten rund um die Nationalmannschaft sollen von ihren Chefs angehalten worden sein, vor dem Achtelfinal-Duell bei der WM in Katar mit dem Vize-Weltmeister nicht mit den kroatischen Kollegen zu sprechen.

Im Auftrag der Nation quasi. Das berichtet jedenfalls der kroatische Sender HRT. Dabei gibt es am Montag (16.00 Uhr/ZDF und Magenta TV) beim großen Bundesliga-Treffen - insgesamt 13 Akteure der beiden Teams spielen in Deutschland - eigentlich gar keine Geheimnisse mehr.

Gestiegene Marktwerte

Und wenn die kroatischen und japanischen Stars in einigen Wochen wieder zurück nach Deutschland kehren, werden sich zumindest die Bundesliga-Manager über den gestiegenen Marktwert ihrer Spieler freuen. Wie etwa im Fall von Josko Gvardiol vom DFB-Pokalsieger RB Leipzig. «Er ist der beste Verteidiger der Welt», schwärmte Kroatiens Nationaltrainer Zlatko Dalic nach dem 0:0 gegen Belgien: «Er ist erst 20. Wenn er jetzt noch nicht die Nummer 1 sein sollte, dann wird er es werden.» Auf bis zu 100 Millionen Euro wird der Verteidiger bereits taxiert, zahlreiche Top-Clubs wie der FC Chelsea, Manchester City und Juventus Turin sollen an dem bis 2027 in Leipzig gebundenen Gvardiol interessiert sein.

Ähnlich verhält es sich bei Borna Sosa, der dem VfB Stuttgart bei einem Transfer die leeren Kassen füllen könnte. Schon im Sommer soll Serie-A-Club Atalanta Bergamo bis zu 20 Millionen Euro für den Linksverteidiger, den Ex-VfB-Sportdirektor Sven Mislintat mit David Beckham verglichen hatte, geboten haben. Auch der FC Barcelona wurde als neuer Club gehandelt. «Ich habe es nicht eilig, mich zu verändern. Natürlich will jeder Spieler seine Karriere weiterentwickeln. Ich bin mir sicher, dass es nach der WM auch bei mir so sein wird», sagte Sosa der «L'Equipe».

Auch auf japanischer Seite rücken nach den überraschenden Siegen gegen die Schwergewichte Deutschland und Spanien die Spieler auf der Weltbühne ins Rampenlicht. War der Frankfurter Daichi Kamada als Europa-League-Sieger bereits ein internationaler Star, haben weitere Teamkollegen auf sich aufmerksam gemacht. Wie der Freiburger Ritsu Doan, der gegen beide Top-Gegner als Joker traf. Sogar Ao Tanaka vom Zweitligisten Fortuna Düsseldorf ist plötzlich ein Held, er erzielte das für den Gruppensieg entscheidende 2:1 gegen Spanien.

Kroatien zollt Respekt

Kroatiens Coach Dalic ist jedenfalls gewarnt. «Wenn jemand Spanien und Deutschland schlägt, kann das kein Zufall sein. Dies ist eine große Gefahr. Ich erwarte einen großen Kampf», sagt der Coach und warnt davor, bereits auf ein mögliches Viertelfinale gegen Brasilien zu schauen. Superstar Luka Modric, der seine beeindruckende Karriere gerne mit dem WM-Titel krönen würde, ist aber zuversichtlich: «Jeder Gegner wird es gegen uns schwer haben.»

Zweimal haben beide Teams bei der WM schon gegeneinander gespielt, die Statistik spricht für Kroatien (Sieg und Unentschieden). Doch das letzte Duell ist bereits 16 Jahre her. Seitdem hat der japanische Fußball noch einmal einen Sprung gemacht. «Ich sehe eine klare Verbesserung. Aktuell ist es so, dass es sehr schwer ist, in den WM-Kader zu kommen, wenn man nicht in Europa spielt. Viele Akteure sind in Europa tätig, das ist eine tolle Entwicklung», sagte Kamada der Deutschen Presse-Agentur.

Und mit der großen Euphorie im Rücken ist vielleicht auch gegen den nächsten Favoriten aus Europa etwas drin. «Auch für Asien wird die Tatsache, dass wir gegen Deutschland und Spanien, Top-Länder der Welt, gewinnen konnten, viel Selbstvertrauen geben. Wir müssen noch viel lernen, aber wir sind zuversichtlich, dass der asiatische und der japanische Fußball die Topteams der Welt schlagen kann», sagte Chefcoach Hajime Moriyasu. Der erstmalige Einzug ins Viertelfinale, der als großes Turnierziel ausgerufen wurde, ist in greifbarer Nähe.(dpa)



Die verwechseln Fußball mit Rugby.

— Max Merkel, Trainer 1. FC Nürnberg, über Fortuna Düsseldorf.