Die (letzte) Hoffnung auf den dritten Stern – WM-Vorschau: Argentinien

von Fussballeck15:30 Uhr | 16.11.2022
Foto: Imago

Nur wenige Geschichten haben den Weltfußball auf Länderebene so sehr beschäftigt, wie Lionel Messis Jagd nach seinem ersten WM-Titel. Der Superstar wird in Katar zum fünften und letzten Mal eine Weltmeisterschaft spielen. Das Turnier im Wüstenstaat ist somit seine letzte Hoffnung. ‚La Albiceleste‘, wie die Argentinier genannt werden, bestieg zuletzt 1986 den Thron – und scheiterte seitdem oft um Haaresbreite am dritten Stern der Geschichte. Als amtierender Copa-América-Sieger hofft Argentinien auf einen Aufschwung. Die Gruppengegner Saudi-Arabien, Mexiko und Polen dürften dabei keine Steine in den Weg werfen. Doch wie titelreif sind die Südamerikaner wirklich?

Der Weg nach Katar? Ungeschlagen!

Nachdem die Argentinier dreimal in Folge gegen Deutschland (Viertelfinale 2006 & 2010 und Finale 2014) und 2018 im Achtelfinale gegen den späteren Sieger Frankreich ausgeschieden sind, wollen sie den goldenen Pokal endlich ein drittes Mal gewinnen. Unter Trainer Lionel Scaloni, der seit August 2018 im Amt ist, endete mit dem Gewinn der Copa América eine 28-jährige Durststrecke ohne Titel. Obwohl die Zeitspanne ohne WM-Erfolg länger und die bevorstehende Aufgabe schwieriger ist, zeigte die Qualifikation die aktuelle Topform der Mannschaft.

Argentinien hat derzeit einen beeindruckenden Lauf. Seit dem 3. Juli 2019 und 35 Spielen ist die Mannschaft ungeschlagen. Die Offensive schießt Tor um Tor, während der defensive Verbund keines zulässt. So marschierte die ‚Albiceleste‘ mit 39 Punkten aus 17 Spielen durch die WM-Qualifikation. Nur Brasilien (42 Punkte) platzierte sich in der Gruppe knapp vor den Argentiniern. Lautaro Martínez und Lionel Messi erzielten mehr als die Hälfte aller Treffer. Defensiv ließ das Team nur sieben Gegentore zu.

Star-Spieler: Lionel Messi

Messi ist seit Jahren das Herzstück der argentinischen Nationalmannschaft. Gelingt ihm bei seiner letzten WM endlich der große Wurf?
Foto: Juan I. Roncoroni-Pool/Getty Images

Beim ersten Mal kann es klappen. Doppelt hält besser. Aller guten Dinge sind drei. Vier gewinnt. All diese Sprichwörter treffen auf Lionel Messis Streben nach seinem langersehnten WM-Titel nicht zu. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist „La Pulga“ das Aushängeschild der argentinischen Nationalmannschaft. In Katar geht der 35-Jährige in seine fünfte Weltmeisterschaft – und hat auf dem Papier realistische Chancen auf den ganz großen Wurf. Davon will er jedoch nichts wissen. Messi möchte von Spiel zu Spiel denken – trotz Druck von seinem Sohn Tiago.

Wer im aktuellen Saisonverlauf des Argentiniers von Spiel zu Spiel schreitet, wird einmal mehr beeindruckt sein. Bei Paris Saint-Germain präsentierte sich der siebenfache Weltfußballer in absoluter Topform und erzielte wettbewerbsübergreifend in 19 Spielen 26 Scorerpunkte. Auch für ‚La Celeste y Blanca‘, „Die Himmelblaue und Weiße“, Nationalmannschaft wusste der Kapitän zu überzeugen: in den letzten drei Länderspielen traf er neunmal. Jeder Fußballfan weiß, dass das Genie mit der 10 ein absoluter ‚Game changer‘ sein wird, wenn er seine gute Verfassung konservieren kann.

So könnten sie spielen:

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Wer fällt aus?

Zwei Wochen vor Turnierstart musste der Titelmitfavorit einen herben personellen Rückschlag hinnehmen. Mittelfeldspieler Giovani Lo Celso wird die WM verletzt verpassen. Der 26-Jährige war ein Leistungsträger bei der Copa América und in der WM-Qualifikation und ist schwer zu ersetzen. Die zuletzt verletzten Paulo Dybala und Juan Foyth wurden für die WM-Endrunde nominiert.

Ángel Correa von Atlético Madrid wurde nicht in das 26-köpfige Aufgebot berufen. Dafür durfte sich ein Bundesliga-Profi freuen: Bayer Leverkusens Exequiel Palacios steht überraschend im Kader.

Statistik gegen Gruppengegner

In der Geschichte trafen ‚La Celeste y Blanca‘ viermal auf Auftaktgegner Saudi-Arabien. Das letzte Duell im November 2012 endete 0:0. 1988 gab es ein weiteres Unentschieden (2:2). Die restlichen zwei Partien gewann Argentinien mit jeweils zwei Toren mehr – 1992 besiegten die Südamerikaner Saudi-Arabien dabei im Finale des König-Fahd-Pokals.

Gegen Mexiko spielte ‚La Albiceleste‘ 23 Mal. 15 Begegnungen konnte sie für sich entscheiden. Sechs Partien endeten Unentschieden, zweimal gewannen die Mexikaner (1990 & 2004). Bei WM-Endrunden kam es dreimal zum direkten Duell beider Teams (1930, 2006 & 2010). Jedes Mal gingen die Argentinier siegreich vom Platz – so auch bei der vierten Auflage in Katar?

Kurios: Lionel Messi und Robert Lewandowski standen sich noch nie in einem Länderspiel gegenüber. Die Nationen beider trafen zuletzt 2011 aufeinander – Polen gewann mit Lewandowski, Argentinien spielte ohne Messi. Die Statistik ist ausgeglichener als gegen Saudi-Arabien und Mexiko: Von elf Spielen gewannen die Argentinier sechs. Das Spiel gegen Polen verspricht Tore: noch nie trennten sich beide Mannschaften 0:0.

Junge Talente auf dem Vormarsch

Mit und neben Lionel Messi ist die Offensive das Herzstück der ‚Albiceleste‘: Lautaro Martínez spielte bisher eine gute Saison in Italien. Gleiches gilt – sofern fit – für Ángel di Maria und Paulo Dybala. Auch die Jungspunde im Kader konnten auf sich aufmerksam machen. Stürmertalent Julián Álvarez kommt bei Manchester City immer häufiger zum Einsatz und könnte als goldener Joker wichtig werden. Auch der 23-jährige Alexis Mac Allister etablierte sich bei Brighton & Hove Albion als Stammkraft.

Ein Youngstar könnte beim Turnier endgültig seinen internationalen Durchbruch schaffen: Enzo Fernández. Der 21-Jährige ist der jüngste Spieler im Aufgebot und debütierte erst Ende September für Argentinien. Der Mittelfeldspieler verließ seine Heimat im Sommer Richtung Benfica Lissabon. Mit guten Leistungen in der Liga und Champions League überzeugte er und könnte in Katar als Einwechselspieler einiges an Einsatzzeit bekommen.

Defensive eine Schwachstelle?

Ohne Frage ist Argentinien bei diesem Turnier ein großer Favorit auf den Titel. Doch so groß die Namen in der Offensive um Messi, Martínez und Co. auch sind, umso berechtigter sind die Zweifel an der defensiven Qualität im Kader. Torwart Emiliano Martínez ist ein solider Rückhalt und kann der Mannschaft in brenzligen Situationen aushelfen. Allerdings verfügt der Keeper über kein Weltklasseformat – gleiches gilt für die Außenverteidigung.

Nahuel Molina von Atlético Madrid wird als Rechtsverteidiger wohl den Vorzug vor Foyth und  Montiel erhalten. Auf der anderen Seite dürften sich Sevillas Marcos Acuña und Lyons Nicolás Tagliafico um die Startelf streiten. Auch das Mittelfeld ist ein Schwachpunkt der Argentinier. Mit Rodriguez, de Paul oder Paredes hat Trainer Scaloni (viele) gute Optionen, aber keinen Spieler, der im Zentrum voranschreiten und das Spiel aus der Mitte sicher leiten kann. Dabei könnten die Innenverteidiger eine wichtige Rolle spielen. Neben Abwehrchef Otamendi werden Christian Romero oder Lisandro Martínez beginnen – dahinter wird es qualitativ dünn. Sie bilden das Rückgrat der Mannschaft, unterstützen das Mittelfeld und setzen die Gegner unter Druck.

Als Lionel Scaloni nach der WM 2018 Cheftrainer Argentiniens wurde, erntete er viel Spott. In seiner Heimat hieß es, er sei ein „Rookie“ und die falsche Wahl nach dem verkorksten Turnier. Dieser „Rookie“ brachte die Mannschaft zu alter Stärke zurück und probierte viele Systeme aus, bevor er zuletzt im 4-4-2 agieren ließ. Dass er in Katar auf das System setzt, gilt als sicher. Ein 4-3-3 wäre wohl die zweite Wahl.

Argentinien Top-Favorit auf WM-Titel?

Argentinien ist die unumstrittene Macht der Gruppe C. Saudi-Arabien, Mexiko und Polen sollten nicht annähernd mit den Südamerikanern mithalten können. Der Druck vor Messis letztem großen Turnier mit der Nationalmannschaft scheint auf einem Allzeithoch zu sein. Lange glaubte man, dass die aktuelle Generation um den Superstar den WM-Titel nie einfahren würde – nun gilt der amtierende Copa-América-Sieger als einer der Top-Favoriten auf die Trophäe.

Dabei sollte man sich nicht von der Weltklasse der Offensive blenden lassen. Messi und Co. können das Spiel der ‚Albiceleste‘ prägen und in wichtigen Momenten den Unterschied machen. Dass „La Pulga“ seine letzte WM spielen wird, dürfte für die Spieler, Fans und Messi selbst ein zusätzlicher Ansporn sein. Die genannten Schwächen in der Defensive sind Meckern auf hohem Niveau, können aber der Tropfen auf dem heißen Stein sein. Im Gegensatz zu den vergangenen Turnieren sind die Schwachstellen marginal. Personell hat Argentinien eine bunte Mischung aus allem, was eine titelreife Mannschaft braucht.

Ein Spruch bringt die Situation der Argentinier auf den Punkt: starke Einzelspieler, noch stärkeres Team. Falls Trainer Scaloni seine 26 Spieler zusammenhält und die Mannschaft moralisch und spielerisch an die Qualifikation und den Copa-Sieg anknüpfen kann, könnte der Traum vom ersten WM-Titel seit über 36 Jahren wahr werden. Und Lionel Messi würde endlich seinen langersehnten WM-Pokal in die Höhe recken…

Prognose: WM-Titel möglich – unter Mitfavoriten

Autor: Maximilian Dymel



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— Gladbach-Manager Rolf Rüssmann zum Start der neuen Homepage und dem neuen Medium Internet.