Hansi Flick saß mit versteinerter Miene auf der Bank, seine Signale zeigten keine Wirkung mehr. Die deutsche Nationalmannschaft hat zwar mit einer starken "Maulkorb"-Geste ein bemerkenswertes Zeichen gesetzt, die Jagd nach dem fünften WM-Stern begann allerdings wie beim Desaster 2018 mit einer schlimmen Niederlage. Gegen den viermaligen Asienmeister Japan unterlag die DFB-Auswahl 1:2 (1:0).
Mittwoch, 23.11.2022
Der Bochumer Takuma Asano (83.) und der Freiburger Ritsu Doan (76.) verdarben der defensiv wackeligen deutschen Mannschaft den Einstieg ins Turnier. Ilkay Gündogan, der den Vorzug vor Leon Goretzka erhalten hatte, hatte den viermaligen Weltmeister per Foulelfmeter in Führung (33.) gebracht, die folgende Überlegenheit mit vielen guten Chancen blieb aber ertraglos. Schon in Russland hatte Deutschland einen Auftaktsieg verpasst. Gegen Spanien am Sonntag steht Flicks Auswahl unter Siegzwang.
Im Streit mit der FIFA um die "One Love"-Binde wollte sich die Mannschaft mit ihrem Kapitän Manuel Neuer den Mund nicht verbieten lassen - beim Teamfoto vor dem Anpfiff legten sich die Spieler im stillen Protest die Hand vor die Lippen. Das vom Weltverband kontrollierte TV-Weltbild zeigte die beeindruckende Szene nicht - sie ging dennoch im Netz um die Welt. Danach war allerdings auch im Khalifa-International-Stadion nicht zu übersehen, dass die deutsche Mannschaft mit den flinken Japanern mehr Probleme hatte, als ihr lieb sein konnte. Vor allem die deutsche Defensive wirkte indisponiert.
In der Abwehr setzte Flick auf Niklas Süle, Antonio Rüdiger und Nico Schlotterbeck, mit ihnen plante er "einen gezielten Dreier-Aufbau, ohne ins offene Messer zu laufen", wie er vor dem Spiel in der ARD verriet. Das wäre schon früh beinahe schief gegangen, in der fahrigen deutschen Anfangsphase kam Japan nach einem Ballverlust Gündogans zu einem Treffer durch Daizen Maeda (8.), der jedoch wegen Abseits aberkannt wurde. Ein Warnschuss war dies aber allemal.
Gündogan war von Flick beauftragt worden, an der Seite von Joshua Kimmich im Mittelfeld die Fäden zu ziehen. Auch für die Offensive hatte der Bundestrainer klare Vorstellungen. Vorne sollten es Thomas Müller als "Zehner", Jamal Musiala, Serge Gnabry und Kai Havertz als Sturmspitze richten - der angeschlagene Leroy Sane fiel als Alternative aus. "Wir versuchen", sagte Flick, "flexibel, variabel zu agieren, ich bin gespannt, wie sie es umsetzen."
Die ersten Torannäherungen gelangen Rüdiger per Kopf (17.) und Kimmich, dessen Weitschuss Torhüter Shuichi Gonda mit Bravour parierte (20). Die Japaner, die mit fünf Spielern aus der Bundesliga begannen, machten der DFB-Auswahl das Leben schwer. Kimmich und Gündogan wurden fortlaufend attackiert. Hinzu kamen einfache Ballverluste, die von den Blauen Samurai dankend angenommen wurden. Flick musste vor allem Schlotterbeck früh seinen Unmut kundtun.
Nach 25 Minuten war die DFB-Auswahl im Spiel, vor dem japanischen Tor ging es zunehmend turbulent zu, und dann hatte Gündogan freie Schussbahn: Nach einem Foul von Torwart Gonda an David Raum war der folgende Elfmeter unstrittig, der Kapitän von Manchester City trat ihn mittig ins Tor. Danach war Deutschland überlegen, versäumte es aber, den Vorsprung auszubauen. Ein Treffer von Havertz kurz vor der Pause wurde wegen Abseits aberkannt.
Chancen, auch sportlich ein Ausrufezeichen zu setzen, gab es genug: Ein Schuss von Gnabry streifte die Latte (47.), nach einem unwiderstehlichen Tanz gegen sechs Gegenspieler schoss Musiala über das Tor (52.), Gündogan traf den Außenpfosten (60.). Wenn sich die deutsche Mannschaft etwas vorzuwerfen hatte neben der schlechten Defensivleistung, dann dies: Trotz großer Überlegenheit und einer doch großen Anzahl an guten Möglichkeiten fehlte ein zweiter Treffer.
Dass sich gegen die Japaner keine Nachlässigkeiten erlaubt werden dürfen, wurde allerdings auch immer wieder offenbar - ebenfalls kurz vor der Pause hätte Maeda, beschäftigt bei Celtic Glasgow, beinahe den Ausgleich erzielt. Dieser und der Siegtreffer fielen dann einer erheblichen Leistungssteigerung der Japaner und den latenten Nachlässigkeiten der deutschen Abwehr.
SID th nt
(sid)
Ich wette nur, wenn ich weiß, dass ich gewinne.
— Hannovers Boss Martin Kind, der auf einen Sieg von 96 gegen Hertha BSC gesetzt hatte.