Ex-Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack äußerte sich in einem „DAZN“-Interview als Experte dazu, wie er das Wechseltheater um Robert Lewandowski einschätzt. Er sprach auch über das Meisterschaftsrennen in der kommenden Saison und warum Borussia Dortmund den FC Bayern München trotz ihrer Transfers auf lange Sicht nicht vom Thron stoßen kann.
Robert Lewandowski
FC Barcelona•Angriff•Polen
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Lewandowski verließ den deutschen Rekordmeister nach acht Jahren und schloss sich dem FC Barcelona an. Ballack kann den Wechselwunsch des Polen verstehen und blickte dafür auf seine eigene Karriere zurück. „Ich war auch in der Situation, vom FC Bayern wegzugehen, was für mich völlig normal ist. Wenn ich so ein Topspieler bin, habe ich immer Optionen. Der FC Barcelona ist ein Traumverein mit einer Traumhistorie und es ist etwas ganz Normales, als Profi auch einmal zu wechseln“, so der 45-Jährige.
Dass es beim Wechsel des Angreifers gekracht hat, wundert den Ex-Nationalspieler nicht. „Der FC Bayern ist nicht der Nabel der Welt, es gibt auch andere Topvereine in Europa. Und gerade wenn ich so lange so erfolgreich mit einem Verein zusammengearbeitet habe, warum nicht? Es geht meistens nicht geräuschlos über die Bühne, erst recht nicht, wenn noch eine vertragliche Bindung besteht.“
Trotz des Abgangs des Top-Stürmers, glaubt Ballack, dass die Bayern alles richtig gemacht haben. „Ich glaube, der FC Bayern hat hier alles richtig gemacht, den Weg freizumachen, die Ablöse zu kassieren und an die Wirtschaftlichkeit zu denken. Genauso kann man Lewandowski beglückwünschen zu dem Wechsel, er hat sich noch einmal einen Traum erfüllt. Und die Mitspieler auf dem Niveau sehen das professionell“, sagte er bei DAZN.
„Ich habe erlebt, dass Topspieler neben mir gegangen sind. Da gab’s Geräusche, Verhandlungen, die Zeitungen waren voll. Aber das muss man als Spieler ausblenden. Wenn es überhandnimmt und die Leistung darunter leidet, okay. Aber als Spieler bist du irgendwann einmal in der Situation. Von daher gab’s dort nie ein kritisches Wort.“
Mit Blick auf die kommende Saison erwartet er kein neues Bild an der Spitze. Dabei hat Borussia Dortmund im Sommer-Transferfenster ordentlich nachgelegt. Doch der Experte ist sich sicher, dass der Bayerns Rivale Nummer eins nicht mit den Münchnern mithalten kann. „Ich wäre vorsichtig damit, Dortmund trotz ihrer guten Neuverpflichtungen auf Augenhöhe mit Bayern zu sehen. Das sind sie nicht. Alleine, weil sie das vom Anspruchsdenken her nicht mitbringen. Aufgrund der letzten Jahre ist es für Bayern München Normalität, Meister zu werden.“
Ballack erklärt: „Es ist eine ganz andere Herangehensweise für einzelne Spieler, bei Bayern einen Vertrag zu unterschreiben, dort zu spielen und gewinnen zu müssen. Oder bei Dortmund nach dem Motto: Ich kann gewinnen, aber wenn wir nicht Meister werden, ist es auch nicht schlimm. Das ist ein völlig unterschiedlicher Ansatz und durch diese Verinnerlichung des Gewinnen-müssens, ist Bayern für mich weiter großer Favorit. Für die Konkurrenten gilt es, dem durch eine absolute Top-Einstellung und das Abrufen der Leistung über das ganze Jahr entgegenzutreten. Nur so hast du eine Chance, den FC Bayern über 34 Spieltage zu schlagen.“
Nach der zehnten Meisterschaft in Folge, hält es Ballack für schwierig, den FCB zu schlagen. „Der FC Bayern hat über Jahrzehnte hinweg sukzessive auch intern einen Druck aufgebaut, bei dem ein Spieler merkt: Hier darf man nicht verlieren. Da ist ein anderer Druck da, der von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge geschaffen wurde. Die Medienlandschaft drumherum ist auch ein Faktor, der Druck und Spannung erzeugt und aufgrund dessen es nicht einfach ist, Leistung zu bringen“, so der Ex-Bayern-Akteur.
Dabei lobte er auch die Motivation der Bayern: „Es sind kleine Bausteine, die zusammen dazu führen, dass man immer wach und bis in die Haarspitzen motiviert ist. Es ist natürlich am besten, wenn man wie beispielsweise Robert Lewandowski oder Cristiano Ronaldo ein hohes Maß an Selbstmotivation über einen langen Zeitraum mitbringt, aber das ist außergewöhnlich. Von daher ist das Umfeld auch wichtig. Wir sind alle empfänglich für Einflüsse von außen, sei es medial oder in Gesprächen mit Freunden oder Mitspielern. Unser Verhalten und die Art, wie wir an Dinge herangehen, werden zu 80 Prozent von Emotionalität gesteuert. Wenn du also eine Gruppe an Topspielern hast, die das alle verkörpern und der Verein das als Oberhaupt schon bei der Vertragsunterschrift impliziert, hast du eine ganz andere Spannung.“
„Das sind diese gewachsenen Unterschiede zu den anderen Vereinen. Deshalb ist es so schwer, die Bayern von da oben wegzustoßen“, führte der neue DAZN-Experte weiter aus.
Wenn ich morgen einen Einladung zur Nationalmannschaft kriegen würde, werde ich absagen, weil ich der Meinung bin, die Besten sollten spielen.
— Jörg Böhme