Undurchsichtig: «Löw kann selbst entscheiden - oder andere»

von Marcel Breuer | dpa15:33 Uhr | 29.11.2020
Bundestrainer Joachim Löw steht nach der Pleite gegen Spanien unter Druck. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa
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Löw ja oder nein? Die vom DFB-Präsidium eingeforderte Analyse über den Zustand der Fußball-Nationalmannschaft lief bisher im Verborgenen, in der neuen Woche wird sich das ändern.

Wenn sich zunächst der Bundestrainer in einer kleinen Verbands-Chefrunde erklärt und am Freitag der zuständige DFB-Direktor Oliver Bierhoff offiziell vor dem höchsten Verbandsgremium spricht, wird auch die Öffentlichkeit erfahren, wie es mit Joachim Löw weitergeht.

Experten, Fans, die Nationalspieler selbst und auch ehemalige enge Weggefährten tappen derzeit noch im Dunkeln, wie Löws Ex-Vertrauter Sami Khedira bestätigte: «Ob er der Richtige oder Falsche ist, das kann Jogi nur selbst entscheiden. Oder eben andere für ihn», sagte der nach der misslungenen WM 2018 von Löw aussortierte Weltmeister von 2014 im ZDF-«Sportstudio».

Ob es wirklich eine «Woche der Wahrheit» wird, wie es teilweise öffentlich schon heißt, ist allerdings fraglich. Zu undurchsichtig ist derzeit die Gemenge- und Interessenlage in und um den DFB und seine wichtigste Mannschaft. Die muss den gesamten Verband mit seinen fast 25.000 Vereinen und über sieben Millionen Mitgliedern wirtschaftlich auch durch die Corona-Krise bringen. Löw und sein Team sind die Haupt-Einnahmequelle, vor allem deshalb gab es im Oktober und November neben der zweitrangigen Nations League auch noch je ein Freundschaftsspiel, was der Bundestrainer eigentlich nicht wollte.

Dass nun nach der 0:6-Blamage in Spanien am Freitag die 14 stimmberechtigten DFB-Präsidiumsmitglieder wie bei einer Kreisliga-Mitgliederversammlung in einer Kampfabstimmung brav die Hände heben und so über eine Ablösung von Löw befinden, erscheint undenkbar. «Hauruck-Aktionen sind selten die beste Lösung», hatte Peter Peters, 1. Vizepräsident des DFB und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Fußball Liga, bereits dem «Sportbuzzer» gesagt.

«Das heißt nicht, dass unser Auftritt zu entschuldigen war, das sieht auch niemand so. Die Aussagen nach dem Spiel waren doch sehr deutlich, keiner hat versucht, irgendetwas zu entschuldigen», ergänzte der 58 Jahre alte Peters im Rückblick auf das Debakel in Sevilla. Damit deutete er an, in welche Richtung sich die Löw-Frage entwickelt. Löw und Bierhoff, der dem seit 2006 wirkenden Bundestrainer unmittelbar nach der historischen Pleite das weiterhin «volle Vertrauen» ausgesprochen hatte, werden einige Argumente liefern, dass die EM-Mission im kommenden Sommer doch noch gelingen kann. Die Abrechnung bliebe dann die EM in einem halben Jahr.

Dass der 60 Jahre alte Löw in seiner selbstverordneten und vom DFB öffentlichkeitswirksam unterstützten Aufarbeitungs-Isolation zu dem Schluss gekommen ist, dass sofort Schluss ist, wäre eine Sensation. Auch wenn sein ehemalige Medienberater Roland Eitel im Deutschlandfunk-«Sportgespräch» bemerkte: «Die Rücktritt-Frage wird er sich sicherlich auch stellen. Er lebt ja nicht auf Wolke sieben. Er kriegt ja auch die Stimmung mit im ganzen Land. Und die Stimmung würde ich als alarmierend bezeichnen.»

Doch der frühere Löw-Vertraute Eitel will sich nicht festlegen: «Weil ich den DFB nicht einschätzen kann. Aber ohne Unterstützung kann natürlich auch der Jogi Löw nicht weitermachen.»

DFB-Präsident Fritz Keller weiß natürlich um die Brisanz. Eine Trennung von Löw würde auch Nationalmannschaftsdirektor Bierhoff schwächen. Zudem bräuchte es sofort eine von vielen Seiten akzeptierte Nachfolge-Lösung. Schon drei Tage nach der Präsidiumssitzung ist der Bundestrainer in die Auslosung der neuen WM-Qualifikation eingebunden. Löws Vertrag läuft noch bis zur Weltmeisterschaft 2022. «Natürlich können wir nach so einem 0:6 nicht zur Tagesordnung übergehen», hat Peters bekräftigt: «Aber das macht ja auch keiner. Es ist in solchen Fällen immer sehr vernünftig, mit- statt übereinander zu sprechen. Das machen wir auch jetzt.»

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(dpa)



Ich traue Robert Lewandowski zu, in Polen Ministerpräsident zu werden.

— Uli Hoeneß