Fünf Erkenntnisse aus dem Serbien-Länderspiel

von Jean-Pascal Ostermeier | sid13:44 Uhr | 21.03.2019

1. Die Jungen brauchen Zeit

Was "Jogis Jungs" in Wolfsburg zeigten, hatte viel von Jugendfußball. Unpräzise, wild und fast chaotisch - aber auch viel Sturm und Drang. Einigen Spielern fehlt es naturgemäß noch an Reife, auch wenn Lukas Klostermann ein verheißungsvolles Debüt gab. Ganz ohne erfahrene Kräfte, das bewies allen voran der herausragende Marco Reus, geht es nicht. Bundestrainer Joachim Löw wird dies zum Auftakt der EM-Qualifikation am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) in Amsterdam beim Erzrivalen Niederlande berücksichtigen: Toni Kroos und Reus werden beginnen, auch Antonio Rüdiger und Matthias Ginter dürften spielen.

2. Eine neue Hierarchie entsteht

Durch die Ausbootung der Rio-Weltmeister Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels ist auch im Bereich Führungsspieler eine Lücke zu füllen - und dies geschah schon in Wolfsburg. Reus schwang sich nicht nur auf dem Platz zum neuen Anführer auf, er sprach danach die Schwächen im Chefstil klar an. Mit Kapitän Manuel Neuer im Tor, dem neuen Abwehrboss Niklas Süle, Joshua Kimmich, Kroos und Reus hat Löw eine neue Achse gefunden. Dazu kommen Spieler wie Torschütze Leon Goretzka oder Aushilfskapitän Ilkay Gündogan, die der Mannschaft auf dem Platz Struktur geben und ihre Kollegen auch außerhalb leiten.

3. "Konsequenz" bleibt ein Thema - vorne wie hinten


Löws Viererkette glich gegen stark ersatzgeschwächte Serben in der ersten Halbzeit phasenweise einem Hühnerhaufen, die Mannschaft muss im Kollektiv besser, konsequenter verteidigen. Reus mahnte für Amsterdam Aggressivität und den Willen an, "unbedingt den Zweikampf zu gewinnen". Diese "Konsequenz" verlangt Löw auch in der Offensive an, die Chancenverwertung bleibt ein Thema. Die starke Vorstellung von Leroy Sane in Wolfsburg macht da Mut. Ob auch Timo Werner als Sturmspitze auf Dauer Abhilfe schaffen kann, ist dagegen fraglich. Gut möglich deshalb, dass Löw weiter mit Serge Gnabry oder auch mal mit Reus in vorderster Front experimentiert.

4. Neuer hat seinen Status gefestigt

Manuel Neuer 1, Marc-Andre ter Stegen 0. Das galt in Wolfsburg nicht nur in Sachen Gegentore, sondern ist auch das Zwischenergebnis im Torhüterduell. Keiner der beiden Konkurrenten konnte sich gegen Serbien auszeichnen, dennoch wird Löw das am Mittwoch praktizierte Jobsharing am Sonntag beenden. Man dürfe davon ausgehen, sagte der Bundestrainer, dass dann Neuer spiele.

5. Die Fans zweifeln noch

Die neue Torhymne ("Can't hold us" von US-Rapper Macklemore) wurde verhalten aufgenommen, insgesamt war die Stimmung in der ausverkauften Volkswagen-Arena mau, doch das ist mangels gewachsener Ultra-Kultur nichts Neues bei Länderspielen. Die in ihrer Heftigkeit überraschenden Halbzeit-Pfiffe verdeutlichten aber, dass der Anhang nach WM-Desaster und Nations-League-Abstieg noch Zweifel hat - daran ändert auch ein Neustart zunächst nichts. "Es ist ein Umbruch, das eine oder andere Spiel kann man uns noch geben", forderte Kimmich zu Recht.

(sid)



Es geht nicht um den kurzen Ball, es geht nicht um den langen Ball. Es geht um den richtigen Ball.

— Bob Paisley (1919 - 1996), Trainer FC Liverpool