Nach den Turbulenzen um die Ethikkommission des Deutschen Fußball-Bundes werden die Rufe nach einem vorgezogenen Bundestag immer lauter.
«Es wäre schlicht nicht verständlich, wenn der DFB nach dieser erneuten Eskalation mit seinem Bundestag noch bis ins erste Quartal 2022 wartet. Es sollte jetzt schnell Platz für grundlegende Veränderungen und eine offene Diskussion geschaffen werden», sagte Niedersachsens Innen- und Sportminister Boris Pistorius (SPD) der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».
Die Initiative «Fußball kann mehr» bezeichnete die Vorgänge rund um die Ethikkommission als einen weiteren Beleg interessengeleiteter Machtausübung. «Umso wichtiger ist ein schnellstmöglicher DFB-Bundestag, der aufzeigt, ob sich eine Mehrheit von dieser Führung repräsentiert fühlt oder ob es mehr Menschen gibt, die eine Erneuerung wollen», sagt Katja Kraus stellvertretend für die Gruppe.
Ruf nach mehr Geschlechtergerechtigkeit
«Fußball kann mehr» mit prominenten Frauen wie Ex-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb oder Katja Kraus, dem früheren Vorstandsmitglied des damaligen Bundesligisten Hamburger SV, fordert mehr Geschlechtergerechtigkeit beim DFB und eine Frauenquote von 30 Prozent in Führungspositionen bei Fußballverbänden. «Wir haben das Vertrauen in die Neutralität und ein unabhängiges Wirken der Ethikkommission verloren. Mit diesem Vorgang wurde das Gremium delegitimiert», sagte Kraus. Es sei untragbar, dass die Entscheidung über die personelle Zusammensetzung von Menschen getroffen wird, die Gegenstand laufender Verfahren seien.
Die momentanen Repräsentanten des Verbandes sehen das anders. Interimspräsident Rainer Koch hat die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Führungswechsel und den Rücktritten fast aller Mitglieder der Ethikkommission zurückgewiesen. «Das war ein völlig korrekter Vorgang, eine absolut korrekte Wahl. Weder haben wir als DFB-Präsidium noch ich persönlich dafür gesorgt, dass über bestimmte Personen nicht abgestimmt werden soll», sagte Koch der Deutschen Presse-Agentur. Und weiter: «Es war eine geheime Wahl des höchsten DFB-Gremiums in dem auch ein Rainer Koch nur eine Stimme von zwölf besitzt.»
Der größte Sportverband der Welt wird nach dem Rücktritt von Fritz Keller interimistisch von Koch und Peter Peters geführt. Die neue Führung soll beim für Anfang 2022 geplanten Bundestag gewählt werden. Doch nach den neuen Turbulenzen um die Wahl der Personalberaterin Irina Kummert zur Vorsitzenden der Ethikkommission könnte sich dies beschleunigen.
«Kapelle auf der Titanic»
«Spätestens jetzt sollten die Letzten merken, dass es beim DFB nicht mehr so weitergehen kann wie bisher. Das Machtgebaren, lieber die eigene Ethikkommission zu zerlegen, als sich berechtigten Fragen der eigenen Verantwortung zu stellen und etwas zu verändern, ist augenfällig», sagte der 61 Jahre alte Pistorius. «Als Sportminister und lebenslanger Fußballanhänger muss ich deutlich sagen: Wenn die wichtigsten Sponsoren ein solches Verhalten entschieden verurteilen und vor den Folgen warnen, dann ist das kein Alarmsignal mehr. Das ist die Kapelle auf der Titanic.»
In unruhigen Gewässern befindet sich auch der Deutsche Olympische Sportbund und muss genau wie der DFB einen neuen Präsidenten suchen. Alfons Hörmann wird bei der Mitgliederversammlung im Dezember nach schweren Vorwürfen wegen seines Führungsstils nicht mehr antreten. Es soll nicht nur einen personellen Neuanfang geben. Am Ende der Hörmann-Ära gehe es beim DOSB nicht nur um eine neue Führung, die allen recht sein soll, sondern ebenso um eine inhaltliche Neuaufstellung - beim DFB ist es ähnlich.
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Wir müssen von der ersten Sekunde an voll wach sein und das dann bis zur Neunzigsten durchhalten.
— Giovane Elber