Mixed Zone

Immer wieder Koch: Der DFB und sein Dauerfunktionär

von Marcel Breuer | dpa15:39 Uhr | 08.03.2022
Rainer Koch ist der Interimspräsident des DFB.
Foto: Andreas Gora/dpa

Rainer Koch ist auf dem Sprung. Mit dem Flugzeug geht es am selben Vormittag noch nach Prag, wieder eine Konferenz internationaler Verbände. Der Rückflug ist früh für den nächsten Morgen gebucht, die nächste Sitzung.

Die Tage vor dem wegweisenden Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes am Freitag stehen exemplarisch für die Arbeitswelt des umstrittenen wie umtriebigen Koch. Der 63 Jahre alte Interimspräsident ist unentwegt unterwegs - und wird immer wieder mit teils sehr persönlicher Kritik konfrontiert.

«Ein Spaltpilz» sei der Bayer, schrieb Fritz Keller in einer Aufsehen erregenden Erklärung dreier Ex-Präsidenten des DFB. Einer, der von «Intrigen» lebe und ein System des «Beschwörens von falschen Feindbildern» aufgebaut habe. Koch lässt das nicht kalt, öffentlich eingehen will er auf die Anschuldigungen aber nicht mehr.

«Das ist ja bekannt, dass es der verzweifelte Versuch ist, die eigene Reputation zurückzugewinnen», sagt Koch in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. «Da es gerade "in" ist, mich anzugehen, stehe ich da hoch im Kurs.»

In praktisch jeder Krise des in den vergangenen Jahren mit Krisen sehr vertrauten DFB ging es auch um Kochs Namen. Nicht, weil dieser zwangsläufig die Verantwortung trug, sondern weil er einer der ganz wenigen Spitzenfunktionäre ist, die diese Krisen überstanden haben. Am Freitag tritt er zur Wahl eines Vizepräsidenten an - nicht mehr für die allererste Reihe. Für die Kritiker des «Systems Koch» ist selbst das zu viel.

«Ich werde seit langem immer wieder ganz gezielt mit bösartig verbreiteten Unwahrheiten angegangen», sagte Koch einer Mitteilung zufolge zum Schreiben der Ex-Präsidenten. So kurz vor dem Bundestag hat jede Äußerung auch mit den so wichtigen Entscheidungen durch die Delegierten zu tun. Für das Präsidentenamt stehen am Freitag in Bonn Bernd Neuendorf und Peter Peters zur Wahl. Neuendorf ist der von den Amateuren um Koch gestützte Kandidat - und würde mit diesem an seiner Seite weitermachen.

Peters wird vom Profifußball protegiert und hat öffentlich bereits deutlich gemacht, dass er sich im Falle seiner Wahl in Zukunft keine Zusammenarbeit mehr mit Koch vorstellen kann. Peters und Koch hatten den DFB übergangsweise bis vor Kurzem als Doppelspitze geführt, ehe Peters nach seinem Abschied von der Deutschen Fußball Liga ersetzt wurde. Die Vorstellung, wie wenig harmonisch die Zusammenarbeit verlief, bedarf keiner großen Fantasie.

«Aus meiner Sicht hat die neue Zeit schon vor einigen Wochen begonnen», sagt Koch über die Zusammenarbeit mit dem neuen DFL-Aufsichtsratschef und der neuen DFL-Geschäftsführerin: «Seit dem Amtsantritt von Hans-Joachim Watzke und Donata Hopfen gibt es eine sehr partnerschaftliche und effektive Zusammenarbeit an der Spitze des DFB.»

In der vergangenen Woche hatte der Verband, der seit 2012 vier Präsidenten aus verschiedensten Gründen verschlissen hat, wieder einmal Besuch von Ermittlern. Dieses Mal ging es um einen den Vorwürfen zufolge teuren «Scheinvertrag» mit einem Kommunikationsberater. Koch ist nicht Teil der Ermittlungen. In seiner zwischen Vize- und Interimspräsident wechselnden Führungsrolle betreffen die Vorwürfe um die fragwürdige Arbeit des Externen aber auch ihn.

«Mit den Intrigen gegen Personen ist auch immer wieder in Kauf genommen worden, dass gleichzeitig die Integrität des DFB beschädigt wurde. Das muss ein Ende haben», schrieb Reinhard Grindel, Kellers Vorgänger, der wegen der Annahme einer Uhr als Geschenk von einem ukrainischen Funktionär hatte zurücktreten müssen. Keller hatte Koch während einer DFB-Sitzung mit dem Namen eines Nazi-Richters angesprochen und musste deshalb die Konsequenzen ziehen. Koch blieb.

Der Bayer, der den DFB international noch bis 2025 im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union UEFA vertritt, ist kein Menschenfänger. Der Versuch, im Vorjahr im Zuge der Keller-Affäre im ZDF-«Sportstudio» viele Vorwürfe zu entkräften, ging auch durch seine streitbare Art schief. Doch Koch beklagt nicht zu Unrecht, dass wegen persönlicher Ebenen mancher Kern einer Diskussion verloren gehe.

«Den Behauptungen, in den vergangenen Monaten sei an der Spitze schlecht gearbeitet worden, könnte man nur in einer faktenorientierten sachlichen Diskussion entgegentreten» sagt er auch mit Blick auf den Wechsel von Joachim Löw zu Hansi Flick, dem Pandemie-Management und dem Bau einer neuen Zentrale. «Wenn sie geführt würde, dann würde sehr schnell deutlich, dass seit dem Rücktritt von Fritz Keller sachlich sehr viel gute Arbeit geleistet worden ist.»

In Teilen der Öffentlichkeit gilt Koch längst aber als Gesicht eines zerrütteten DFB. «Koch raus», schmierten zuletzt Unbekannte auf die Fassade der Frankfurter DFB-Zentrale. Aus dem Verband teilten am Montag die Mitglieder der Konferenz der Landes- und Regionalverbandspräsidenten mit, sich «vor den Menschen Rainer Koch» zu stellen. Gewählt werden die Kandidaten am Freitag für die kommenden drei Jahre.

(dpa)



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