Aus St. Pauli in die Provinz: Hartel und die Abzweigung MLS

von Marcel Breuer | dpa5 hours ago
Als Marcel Hartel (l) zu St. Louis kam, war Eduard Löwen schon da.
Foto: Maximilian Haupt/dpa

Den Wunsch seines größten Fans erfüllt Marcel Hartel nicht. Seit dem Wechsel als Aufstiegsheld des FC St. Pauli zu St. Louis City SC in die Major League Soccer kann sein Vater nicht mehr alle Spiele besuchen, die anstehende lange Saisonpause des Sohnemanns wirkte da wie eine kleine Chance. «Vor zwei Wochen hat er mich gefragt, wie sieht es aus, willst du nicht irgendwo noch für zwei Monate unterschreiben und ein bisschen zocken, damit ich gucken kommen kann. Aber das werde ich nicht machen», sagte Hartel der Deutschen Presse-Agentur. 

Klar, ein Besuch in Deutschland ist fest eingeplant, nachdem seine Saison am 19. Oktober endet. Doch vor allem will der 28 Jahre alte Fußballprofi Urlaub machen mit seiner Familie, die sich mit ihm gemeinsam auf das Abenteuer Amerika eingelassen hat. «Das ist tatsächlich mein erstes Mal, dass ich überhaupt in den USA bin. Das war immer ein Ziel von meiner Frau und mir und dass es jetzt beruflich für den Fußball ist, das war zwar nicht der Grundgedanke. Aber das hat jetzt im Großen und Ganzen perfekt gepasst», berichtete Hartel. 

In der Aufstiegssaison kam Hartel auf 17 Tore und 13 Vorlagen

Statt wie von den Fans des FC St. Pauli erhofft, verlängerte er, der mit 17 Toren und 13 Vorlagen so entscheidend zum Aufstieg beigetragen hat, seinen auslaufenden Vertrag nicht, um Bundesliga zu spielen. Er ging auch nicht zu einem Europapokal-Team, auch das trauten ihm viele Beobachter zu. Nein, Hartel ging für ein Vierjahresvertrag in die MLS. 

«Mit Sicherheit hatte Marcel viele Angebote aus Europa, aber die MLS hat ihn einfach interessiert. Ich bin sehr froh, dass er nicht in Frankreich bei einem Champions-League-Verein spielt oder irgendwo in der Bundesliga, sondern hier bei uns», sagte Lutz Pfannenstiel. Der Bayer mit einer Vergangenheit als Funktionär bei der TSG Hoffenheim und Fortuna Düsseldorf ist der Sportchef in St. Louis und hat den Deal eingefädelt. «Der Transfer hat sich schon gelohnt als wir Marcel ablösefrei bekommen haben, als einen der am meisten gefragten Spieler auf dem deutschen Markt.»

Hamburg hat 1,8 Millionen Einwohner - St. Louis keine 300 000

Viele Kollegen in Europa hätten nicht fassen können, dass Hartel sich für einen Wechsel nach St. Louis begeistern konnte, in eine Stadt, die nur halb so viele Einwohner hat wie Stuttgart und weit entfernt ist vom Flair der Metropole Hamburg. Doch der bodenständige Offensiv-Akteur fand schnell Gefallen an dem, was ihm Pfannenstiel berichtete - und sieht sich nach fast drei Monaten in den USA bestätigt. «Natürlich hat die MLS jetzt nicht den besten Ruf, aber die Liga hier ist sehr, sehr gut, die Qualität hier ist echt überraschend gut, so habe ich es auch gar nicht vorher erwartet, sage ich auch ehrlich», erzählte er. 

Immerhin: Als Hartel sich wie Cedric Teuchert (zuvor Hannover 96) im Sommer für St. Louis entschied, da hatte die Mannschaft schon etwas vorzuweisen. Gleich in der ersten Saison gewann das Team als Neuling die Western Conference und sorgte mit einer für die Liga ungewohnten Spielweise für Aufsehen. Eduard Löwen (u.a. Hertha BSC und 1. FC Nürnberg) und Roman Bürki (Borussia Dortmund, SC Freiburg) stürzten sich mit ihren Unterschriften dagegen fast blind in das Abenteuer und sind vom ersten Spieltag der vorausgehenden Saison dabei. Sie erlebten hautnah mit und hatten großen Anteil daran, dass St. Louis schnell von einem für seinen Ansatz belächelten Außenseiter und Neuling zu einem ligaweit respektierten Team wurde. 

Elf Spieler mit Bezug zu Deutschland im Kader 

Weil insgesamt elf Spieler im Kader stehen, die entweder einen deutschen Pass oder für einen Club im deutschen Profifußball gespielt haben, ist St. Louis City FC eine regelrechte Enklave. Dahinter stecke aber nur bedingt Absicht, betonte Pfannenstiel. «Wir holen Spieler nicht, weil sie deutsch sind oder aus der Bundesliga kommen. Es muss einfach zu unserer Spielphilosophie passen, die stark an das Hoffenheim von vor einigen Jahren angelehnt ist», sagte er. «Hochintensives Pressing und Gegenpressing steht im Vordergrund, aber trotzdem wollen wir mit dem Ball guten und attraktiven Fußball spielen. Und Spieler, die das aus ihren vorherigen Vereinen kennen, helfen uns.»

Messi und Reus helfen der MLS, St. Louis wählt einen anderen Ansatz

In ihrem Kampf um Aufmerksamkeit setzen viele Teams der Liga auf große Namen aus dem internationalen Fußball. Lionel Messi bei Inter Miami war für die MLS ein Katalysator ungekannten Ausmaßes und sorgte für Rekorde bei TV-Abos, Trikotverkäufen und Eintrittskarten. Aber auch die Verpflichtungen von Hugo Lloris und Olivier Giroud von Los Angeles FC oder zuletzt der Transfer von Marco Reus zu Los Angeles Galaxy folgen dem gleichen Prinzip. 

Pfannenstiel hat einen anderen Ansatz. «Unser Beuteschema sieht anders aus. Wir holen Spieler, die vielleicht 26 oder 27 Jahre alt sind. Wir haben wenig Spieler über 30», sagte er. «Einen Topstar aus der Premier League oder der Bundesliga in dem Alter bekommst du nicht hier her. Ich hole dann eben lieber Spieler, die uns besser machen und hungrig auf Erfolg sind, eben einen wie Marcel.»

Hartel hat große Ziele 

Zahlreiche Verletzungen und ein Trainerwechsel haben in dieser Spielzeit dazu geführt, dass der Erfolg aus der vergangenen Saison nicht reproduzierbar war und die Playoffs schnell außer Reichweite gerieten. Seit Hartel und Teuchert zum Team gestoßen sind, ist allerdings ein klarer Aufwärtstrend zu erkennen. Vier der vergangenen acht Partien wurden gewonnen, es gab nur zwei Niederlagen. Teuchert kommt in dieser Zeit auf fünf Tore und vier Vorlagen, Hartel auf zwei Treffer und sieben Vorlagen. Die Richtung stimmt also. «Diese Saison konnten wir leider nicht mehr drehen, aber wir nutzen sie als Vorbereitung auf die kommende Spielzeit», sagte Pfannenstiel. Hartel ist deutlicher in der Formulierung seines Ziels: «Ich will die MLS gewinnen.»

(dpa)





Diese Frage enthält zwei Konjunktive. Solche Fragen kann der Verein in seiner derzeitigen Situation nicht beantworten.

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