Das kleine Finale oder der große Traum von Paris? Für Horst Hrubesch und seine «Mädels», wie der Bundestrainer die deutschen Fußballerinnen immer nennt, ist das vor dem Wiedersehen mit Gold-Favorit USA keine Frage. «Jetzt macht es natürlich auch Sinn, ins Finale zu kommen», sagt Torhüterin Ann-Katrin Berger.
Dienstag, 06.08.2024
Im Halbfinale am Dienstag (18.00 Uhr/ARD und Eurosport) in Lyon wollen sich die DFB-Frauen nicht noch einmal vom viermaligen Olympiasieger vorführen lassen. «Die Mannschaft ist gewachsen, ist gereift. Ich bin absolut sicher, dass sie alles in dieses Spiel reinpacken wird», kündigt Hrubesch maximale Gegenwehr an.
USA hat «Körner gelassen»
Das 1:4 gegen die USA in der Vorrunde hatte das deutsche Team zwar nicht aus der Bahn geworfen, aber mächtig Eindruck hinterlassen. Wesentlich schwerer tat sich die Auswahl der englischen Trainerin Emma Hayes im Viertelfinale gegen Japan, als sich der Rekord-Weltmeister erst in der Verlängerung durchsetzte. «Sie haben auch Körner gelassen», sagt Hrubesch hoffnungsvoll.
Bei einem Sieg würde die Tour de France von Kapitänin Alexandra Popp und Co. mit den bisherigen Stationen Marseille, Saint-Étienne, wieder Marseille und jetzt Lyon am Samstag im Endspiel im Sehnsuchtsort Paris enden. Bei einer Niederlage müssten die DFB-Frauen in Lyon bleiben und am Freitag gegen den Verlierer des Duells Spanien gegen Brasilien um Bronze spielen.
Gold haben die deutschen Fußballerinnen bisher ein einziges Mal gewonnen - 2016 in Rio, als auch Popp im Finale gegen Schweden (2:1) auf dem Rasen stand. Bronze gab es schon dreimal: 2000, 2004 und 2008.
USA kommt mit drei superschnellen Stürmerinnen
«Wir haben eine Rechnung offen», sagt Rechtsverteidigerin Giulia Gwinn vom deutschen Meister Bayern München vor der neuerlichen Herausforderung gegen die USA mit ihren Hochgeschwindigkeitsstürmerinnen Sophia Smith, Mallory Swansoner und Trinity Rodman, die Tochter des früheren Basketballstars Dennis Rodman. «Aber wir wissen natürlich auch, was auf uns zukommt, müssen präsent sein in den Zweikämpfen und dürfen defensiv nicht so viel zulassen wie im letzten Spiel.»
Torfrau Berger mahnt: «Wir müssen besser sein als letztes Mal und aus unseren Fehlern lernen.» Da hatte die 33-Jährige vom US-Club NJ/NY Gotham FC bei einem Treffer nicht gut ausgesehen und der Angriff um Lea Schüller so manche Chance liegen lassen. «Sie sind effektiv, sie machen Tore. Aber das müssen wir halt abstellen. Es wird darauf ankommen, dass wir die Chancen besser nutzen und körperlich dagegen halten», fordert Hrubesch und spricht von einem 50:50-Spiel.
Lyon - da war doch was
Auch an das Groupama Stadium von Lyon haben die Fußball-Frauen keine guten Erinnerungen: Dort setzte es im Nations-League-Halbfinale im Februar eine 1:2-Niederlage gegen Frankreich. Dennoch sicherte sich das Hrubesch-Team mit einem 2:0 in den Niederlanden auf den letzten Drücker noch das Olympia-Ticket.
Die Frage ist auch, wie seine Spielerinnen den Kraftakt gegen Kanada und den andauernden Drei-Tage-Spielrhythmus weggesteckt haben. Eistonne, Physio und viele Behandlungen heißt es zwischen den Spielen. «Schnell schlafen», empfiehlt Abwehrchefin Marina Hegering vom VfL Wolfsburg. «Schlafen ist die beste Regeneration, die man kriegen kann.» Ansonsten sei es die «maximale Motivation», dass eine Medaille jetzt greifbar ist.
Kraftakt gegen Kanada soll Schub geben
Berger ist davon überzeugt, dass der mühsame Erfolg gegen Kanada dem DFB-Team «einen großen Schub» geben wird: «Ich habe das Gefühl, dass wir das unbedingt gebraucht haben. Einfach unsere Mentalität mal zu testen, vor allem bei so einem Turnier.» Die Schwäbin hatte im Viertelfinale nach torloser regulärer Spielzeit und Verlängerung zwei Schüsse vom Punkt gehalten und den entscheidenden Elfmeter zum 4:2 nervenstark selbst verwandelt.
Mit dem Erreichen des Halbfinals ein Jahr nach dem blamablen Vorrunden-Aus bei der WM in Australien haben Deutschlands Fußballerinnen jedenfalls einen Schritt aus der Krise gemacht. «Der Job, den die Mädels machen, ist sensationell gut», lobt Hrubesch. «Wir werden uns gegen die USA hoffentlich nicht selbst schlagen.»