Hansi Flick fühlte mit Jérôme Boateng und erfüllte dem Ex-Nationalspieler die Bitte, sofort nach Deutschland heimzufliegen. Der finale Akt beim Sechs-Titel-Projekt des FC Bayern rückte im Quartier der Münchner Fußballer in Katar vorübergehend in den Hintergrund.
Montag, 08.02.2021
Flick berichtete bei der Club-WM mit ernster Miene, dass der 32-jährige Boateng aus privaten Gründen vorzeitig aus Katar abreise. Der Abwehrspieler hatte ihn darum bei einem Gespräch auf seinem Zimmer gebeten, sagte Flick.
An den gewohnten sportlichen Abläufen in der Vorbereitung auf das Endspiel am Donnerstag (19.00 Uhr/DAZN/Sport Live) gegen Tigres UANL aus Mexiko hielt der Bayern-Tross fest. Das Abschlusstraining fand wie geplant statt. Und die Zielsetzung bleibt auch bestehen. «Wir freuen uns auf das Finale», sagte Kapitän Manuel Neuer. «Das war unser großes Ziel», sagte Flick. Der 55-Jährige verfolgt im WM-Land von 2022 einen historischen Plan. Mit dem sechsten Titel in einer Saison könnte Flick bei dem wegen der Corona-Pandemie verschobenen Turnier sein Bayern-Werk vollenden - und das in nur 16 Monaten.
Die Münchner Stars wissen, was ihr ehrgeiziger Chef wünscht - den erfolgreichen Abschluss der Mission 6. Titel. «Hansi hat uns gesagt: Wenn wir schon hier sind, müssen wir Gas geben und auf 100 Prozent spielen», sagte Torjäger Robert Lewandowski. Auf die Position von Boateng im Abwehrzentrum rückt gegen die Mexikaner Niklas Süle. Weitere Umstellungen ließ Flick offen. Er lobte aber auffällig Leroy Sané für eine «gute Performance» als Joker beim Sieg gegen Al Ahly.
Der Titel des Club-Weltmeisters ist beileibe nicht der ruhmreichste im Weltfußball. Aber eine besondere Konstellation macht ihn doch so wertvoll für die Bayern-Generation um Weltfußballer Lewandowski und Welttorhüter Neuer. Sechs Titel in einer Saison, das ist ein Alleinstellungsmerkmal des FC Barcelona, dem dieses Kunststück 2009 mit Trainer Pep Guardiola und Weltstar Lionel Messi glückte.
«Wenn du weißt, dass nur eine Mannschaft sechs Titel geschafft hat, ist dir bewusst, dass du Fußball-Geschichte schreiben kannst», sagte Lewandowski. Für Flick wäre die Trophäe eine persönliche Krönung. Als Trainer stünde er dann auf einer Stufe mit Starcoach Guardiola.
Flick winkt zudem ein einzigartiges Trainer-Double: Zum WM-Titel 2014 mit der deutschen Nationalmannschaft - als Assistent von Joachim Löw - käme nun der Titel des Club-Weltmeisters. «Wir müssen hellwach sein», mahnte der Trainer, der ein «spannendes Spiel» gegen Tigres erwartet.
Das Titel-Sixpack wäre eine grandiose Leistung. Besonders, wenn man sich vor dem Endspiel im Education-City-Stadion noch einmal in Erinnerung ruft, dass Flicks Wirken in München vor anderthalb Jahren beinahe unbemerkt als Assistent von Niko Kovac begann. Diesen löste Flick im November 2019 als Cheftrainer ab. Was folgte, ist bekannt!
Flick führte die Bayern erst zum Triple, dann zu zwei Supercup-Titeln und steht nun im 68. Pflichtspiel unter seiner Leitung vor der Krönung des Gesamtwerks. «Jetzt haben wir diese Chance, die wir uns unbedingt erarbeiten wollten», sagte Angreifer Thomas Müller nach dem ungefährdeten 2:0-Erfolg im Halbfinale gegen Al Ahly aus Ägypten.
«Erfolg zu entwickeln, ist ein steter Prozess», lautet Flicks Credo. Angesichts der Strapazen in dieser Corona-Saison verordnete er seinen Dauerleistern in den 70 Stunden zwischen Halbfinale und Finale viel Regeneration. «Wir sind auf einem guten Level aktuell», sagte er.
Flick nimmt den Endspielgegner Tigres de la Universidad Autónoma de Nuevo León sehr ernst. Die Stärken jedes Spielers hat er studiert. Denn er will gegen den Champion von Nord- und Zentralamerika sowie der Karibik keine böse Überraschung erleben. Der Außenseiter hatte im Halbfinale den favorisierten Copa-Libertadores-Gewinner Palmeiras São Paulo mit 1:0 besiegt. Davor wurde Asiens Champions-League-Sieger Ulsan Hyundai SC im Viertelfinale mit 2:1 bezwungen.
Alle drei Tore erzielte der französische Altstar André-Pierre Gignac (35), der früher für Olympique Marseille stürmte. Ein Begriff ist den Bayern-Stars aber vor allem Carlos Salcedo. Der Innenverteidiger stand 2018 in der Elf von Eintracht Frankfurt, die im DFB-Pokalfinale gegen die Bayern mit 3:1 triumphierte. Lewandowski will keinen erneuten Favoritensturz erleben. «Ich weiß, wie hart wir gearbeitet haben, um auf der Position zu sein, wo wir gerade stehen», sagte der Torjäger, der die Bayern mit zwei Treffern ins Endspiel schoss.
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(dpa)
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