Mixed Zone

Wie reagiert man gegen Cristiano Ronaldo, Herr Almer?

von Carsten Germann12:30 Uhr | 23.01.2023
Foto: Imago

Der legendäre Elfmeter gegen Cristiano Ronaldo, die Zusammenarbeit mit Ralf Rangnick in Österreichs Nationalmannschaft – Fussballdaten.de-Redakteur Carsten Germann traf Robert Almer (38), Ex-Bundesliga-Torhüter bei Fortuna Düsseldorf, Nationalspieler Österreichs und nun Torwart-Trainer beim ÖFB, in einem original Kaffeehaus in Wien zum Interview.

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Robert Almer
TorwartÖsterreich
Zum Profil

Person
Alter
40
Größe
1,94
Gewicht
89
Fuß
L
Marktwert
497 Tsd. €
Daten
Spiele
136
Tore
-
Vorlagen
-
Karten
2--

Robert Almer, Sie arbeiten bei Österreichs Nationalmannschaft mit Ralf Rangnick zusammen. Der Schwabe gilt als akribischer Arbeiter – wie sehr setzt er in der alltäglichen Arbeit auf Leistungsdaten, Auswertungen, Statistiken?
Robert Almer (38): Man muss klar erkennen, dass es mittlerweile Daten in Hülle und Fülle gibt und da muss man die richtigen für sich herausfiltern. Also die, die für unsere Art von Fußball relevant sind. Auch bei den Torhütern. Hin und wieder reicht es bei einer Mannschaft, taktische Infos zu geben, aber manchmal brauchen die auch einen emotionalen Input. Dieses Feingefühl hat er definitiv. 
Fussballdaten.de: Ralf Rangnick ist ein großer Analytiker, ein Trainer, der über die Taktik kommt. Bringt er das auch in der täglichen Arbeit mit der Nationalmannschaft rüber? Wie ist seine Ansprache?
Almer: Es ist ein Unterschied zwischen Verein und Nationalmannschaft! Du hast einfach sehr wenig Zeit, um taktische Vorstellungen 100-prozentig im Detail im Training einzustudieren. Unser Vorteil ist, dass wir viele Spieler mit Red-Bull-Vergangenheit haben, die diese Spielidee grundsätzlich kennen und dann versucht man einfach, die anderen Spieler mit ins Boot zu nehmen und mit ihnen am Platz und in der Analyse diese Prinzipien und Abläufe zu verinnerlichen. Die ersten Spiele im Juni 2022 waren ein klarer Wink, wo es hingehen sollte oder auch hingehen kann. Wir haben gegen europäische Top-Nationen gespielt, das war die richtige Richtung, aber man darf auf diesem Niveau eben auch keine Sekunde nachlassen, sonst wirst du bestraft. Das freundschaftliche Länderspiel gegen Italien zum Jahresabschluss war so, wie wir uns das vorstellen und wie sich das die Fans in Österreich vorstellen. 

„Ich habe den Elfmeter nicht gehalten!“


Sie selbst haben 2016 bei der EURO in Frankreich selbst mit Österreich gegen Cristiano Ronaldo und Portugal eine Elfmetersituation erlebt. Wie reagiert man bei einem Elfer von CR7?  Ich habe den Elfmeter nicht gehalten, für mich war es damals der psychologische Vorteil, dass es zuvor ein Privatduell Almer gegen Ronaldo gab und er viele Chancen hatte. Für den Schützen war es vielleicht zu viel.

Der Ball ging an den Pfosten… Er ging an den Pfosten und raus, ja. Als Torhüter bereitet man sich im Spiel darauf vor, dass es Elfmeter gibt. Damals noch nicht so im Detail, mit riesigen Datenbanken, mit denen du jeden Schützen durchleuchten kannst, von der Statistik ist es heutzutage einfacher, aber die Psyche kannst du natürlich nicht analysieren. 

Haben Sie intuitiv gehandelt oder hatten Sie über Ronaldos Elfmeter-Gewohnheiten Informationen gesammelt?
Ich habe schon Informationen gehabt. Ich glaube, die Quote, wonach er nach links schießt, lag bei 55 Prozent, die, wonach er nach rechts schießt, bei 45 Prozent. Sebastian Prödl kam zum Elfmeterpunkt und sagte: ,,Du weißt eh, wo er hin schießt?“ Ich bin intuitiv auf die linke Seite gegangen, das war die falsche Ecke, aber er hat nicht getroffen. 
Wie oft wurden Sie auf diese Szene seitdem angesprochen? 
Das Lustige ist: In der Öffentlichkeit werde ich immer wieder auf den gehaltenen Elfmeter von Portugal angesprochen. Ich sage dann immer wieder: „Nein, ich hab den nicht gehalten!“ Ich weiß nicht, warum sich das so eingebrannt hat. Das hat aber schon einen großen Einfluss auf die Zuseher. Vermeintlich hab ich ihn „ins Aus geschaut“… Ich würde aber das alles nicht auf den Elfmeter reduzieren, aber es ist schön, wenn du auf solche Momente angesprochen wirst. 
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit in der deutschen Bundesliga bei Fortuna Düsseldorf und Hannover 96?
Als ich 2015 aus Deutschland nach Österreich (zu Austria Wien, d. Red.) zurückkam, habe ich eigentlich nur in der Nationalmannschaft viele Spiele gemacht. Wer meine Karriere kennt, der weiß auch, dass ich extrem viele Verletzungen hatte. Ich hatte jedes Jahr mindestens eine Verletzung, die mich vier bis sechs Wochen Trainingszeit und oftmals – wie in Düsseldorf – den Status als Torhüter Nummer eins gekostet hat. Wenn man das auf 15 Jahren hochrechnet, dann fehlen dir ein paar Jahre. Das hat schon einen Einfluss auf meine Karriere gehabt. Das ist gerade für einen Torhüter ganz speziell. 
Können Sie das näher erklären? Wenn du dir den Status als Nummer eins erkämpft hast, dann meistens für sehr lange. Das war bei mir nicht der Fall, nach ein paar Wochen war ich verletzungsbedingt wieder raus, ob es in Deutschland war oder in Österreich. Das hat mich bei allen Vereinen begleitet! In Düsseldorf habe ich mir fünf Runden vor den Relegationsspielen gegen Hertha eine langwierige Verletzung zugezogen, bin 10 Wochen ausgefallen. Das hat schon einen Einfluss, wenn du bei so wichtigen Spielen wie den Aufstiegsspielen dabei bist und dann die Chance hast, in der Bundesliga im Tor zu stehen. Da braucht man extreme Konstanz – in der Leistung und in der körperlichen Fitness! 
Führen Sie eine Datenbank über Elfmeterschützen und ihre beim Strafstoß bevorzugten Ecken oder Schusstechniken?
Wir haben eine Datenbank beim Verband, die immer wieder aktualisiert wird. Da werden 70 bis 80 Parameter berücksichtigt, Drucksituation, Spielstand, Anlaufverhalten, Blick auf den Torhüter und so weiter. Ich frage mich, ob so viele Daten für den Torhüter dann ein Mehrwert sind. Er muss wissen: Schießt er links, schießt er rechts, erkennt er Nuancen im Anlaufverhalten, hat der Schütze vorher ein schlechtes Spiel gemacht? 
Bleiben wir bei Cristiano Ronaldo. Er ist jetzt weg von Manchester United, gab sein Debüt für Al-Nassr in Saudi-Arabien und hat zum unguten Schluss in England noch mal Ihren Chef, Ralf Rangnick, öffentlich kritisiert, „Sie haben einen geholt, der gar kein Trainer ist.“ Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Ich kenne Cristiano Ronaldo nicht persönlich und kann nicht beurteilen, was in Manchester war. Das betrifft uns bei der Nationalmannschaft nicht. Wir wissen, wo Ralf herkommt und bei welchen Vereinen er hervorragende Aufbauarbeit geleistet hat und die er oben etabliert hat. Red Bull ist für ich eigentlich das Beispiel, wie man einen Verein oder einen Fußball-Konzern in solche Sphären bringen kann. Bei Red Bull war schon vorher sehr viel Geld im Spiel, aber sie haben 10 Jahre nicht diesen konstanten Erfolg gehabt, erst durch Ralf Rangnick haben sie sich weiterentwickelt, eine klare Philosophie entwickelt, wie sie Fußball spielen wollen, wie sie Talente entwickeln wollen. Das haben sie auch auf Leipzig übertragen, beide Mannschaften sind mittlerweile extrem erfolgreich. International kann man Champions League mit RB Salzburg und Leipzig nicht hoch genug einordnen.
Wie wichtig sind Ihnen Statistiken in der Trainingsarbeit mit Österreichs Torhütern? In der Nationalmannschaft geht es grundsätzlich nicht darum, die Torhüter in diesen 10 Tagen technisch weiterzuentwickeln, sondern sie via Datenauswertung auf den Gegner einzustellen. Es soll so Spiel nah wie möglich auf Situationen eingegangen werden, die dann während der Partie vorkommen können. 

„Laimer ist ein Outperformer“

Welche Statistiken sind dabei besonders signifikant?
Bei einem Spieler wie beispielsweise Konrad Laimer, der in dieser Hinsicht ein Outperformer ist, geht es ja mittlerweile nicht mehr nur um die gelaufenen Kilometer, sondern um die High Intensity Runs, also darum, wie viele Meter er in Höchstgeschwindigkeit gemacht hat. Da können wir von der Statistik noch ein bisschen weg gehen…Gerne! 
Die Frage ist: Wie effizient sind diese Laufwege? Ich kann viele Kilometer machen, kann viele High Intensity Runs haben, aber wenn ich bei jedem Stellungsfehler hinterherlaufe, mache ich viele Meter umsonst. Auch bei den Torhütern geht es mittlerweile immer mehr in die Richtung, effizient zu arbeiten und sich ökonomisch zu bewegen. 
Wie sehr muss ein Torhüter auch Schauspieler sein? 
Fußball ist auch Marketing. Von der Persönlichkeit her ist es schwer zu sagen. Ich war in meiner Karriere lange selbst sehr introvertiert, bis ich eine Art individuelles Training gemacht habe und mir vorgestellt habe, dass ich auf dem Platz eine bestimmte Rolle spiele. Das hat eigentlich ganz gut funktioniert. Das Interessante war: Wenn du das im Training jeden Tag wiederholst, bekommst du mehr Selbstvertrauen. Diese Schauspielerei hatte positiven Einfluss auf mein generelles Leben.



Was ich rein persönlich nicht verstehe, ist ein Wechsel von Frankfurt nach Gladbach oder von Gladbach nach Dortmund.

— Torsten Lieberknecht, Trainer von Darmstadt 98, über die Trainer-Wechsel vor der Saison 2021/2022 mit Adi Hütter und Marco Rose. Beide mussten am Saisonende wieder gehen...