Jamal Musiala hat in der abgelaufenen Bundesliga-Saison einen steilen Aufstieg hingelegt. Gekrönt wurde die Spielzeit durch eine Nominierung zur laufenden Europameisterschaft. Gegen Ungarn (2:2) lief der Profi des FC Bayern München erstmals bei dem Turnier auf. Das Achtelfinale gegen England ist aufgrund seiner doppelseitigen Ausbildung in beiden Ländern, ein ganz besonderes Spiel.
Dienstag, 29.06.2021
Hinter Jamal Musiala liegt ein wohl einzigartiger Ausbildungsweg im Bereich des Profi-Fußballs. Nachdem er in Stuttgart geboren wurde und dort aufgewachsen war, verließ er Deutschland bereits 2010 und schloss sich dem FC Southampton an. Bei den Engländern konnte sich der Offensivspieler weiterempfehlen. Ein Jahr später schloss er sich der Jugend-Abteilung des FC Chelsea an. Nach acht Jahren beim FC Chelsea ging es zurück nach Deutschland zum FC Bayern. In diesem Zeitraum absolvierte Musiala Spiele für die Englische U15, U16, U17 und U21. Allerdings auch zwei Spiele für die U16 der DFB-Auswahl.
„Was ich grundsätzlich sagen kann ist, dass in England bei der Ausbildung von jungen Fußballern sehr viel Wert auf die technische Ausbildung gelegt wird. Mindestens einmal in der Woche hatten wir spezielle Technik-Schulungen. Als ich dann nach Deutschland kam, ging es mehr um den Wettbewerb, darum, sich durchzusetzen. Es ging mehr ums Gewinnen. Wobei man auch sagen muss, dass das dann
in einer anderen Jahrgangsstufe war und ich nichts darüber sagen kann, wie in Deutschland bis zu dieser Jahrgangsstufe ausgebildet wurde. Aber in England war es so, dass es bis zur U 18 keine richtige Liga gab, sondern nur hin und wieder Turniere. Es gibt also schon einen Unterschied – und für mich ist es möglicherweise ein Vorteil, dass ich von beiden Ansätzen profitiert habe“, erklärt Musiala seinen Entwicklungsgang zwischen den europäischen Länder im Interview des aktuellen DFB-Magazins.
Auch, wenn sich der mittlerweile 18-Jährige andere Option hätte vorstellen können, war der Profi-Fußball immer die Wunschlösung für das spätere Leben: „Ich habe sehr viel in den Fußball investiert. Mein Plan war: Plan A. Und dann alles dafür zu geben. Es war aber nicht so, dass mein Leben ausschließlich aus Fußball bestanden hätte. Ich habe zum Beispiel immer sehr gerne gezeichnet. Und als Beruf? Früher habe ich mir immer ganz gut vorstellen können, Architekt zu werden. Aber es ist auch nicht schlimm, dass daraus nichts geworden ist.“
Der steile Aufstieg des Talents bedeutet natürlich Druck und Erwartungshaltung. Hilfreich ist dabei die anhaltende Unterstützung durch seine Mitspieler. Musiala genießt den Vorteil, dass viele Teamkollegen aus der Bundesliga-Saison nun mit ihm auch nach der Saison die EM verbringen: „Gerade ganz am Anfang war das natürlich extrem wertvoll. Die Spieler vom FC Bayern konnte ich alles fragen, und sie waren auch nicht genervt. Das war gut, das hat mir Sicherheit gegeben. Aber jetzt ist es so, dass ich inzwischen den ganzen Kader gut kennengelernt habe und mich eigentlich an alle Spieler wenden kann. Außerdem habe ich mittlerweile weniger Fragen und bin weniger auf Hilfe angewiesen.“
Das letzte Gruppenspiel gegen Ungarn war das vierte Länderspiel für die A-Mannschaft. Mit der Drucksituation konnte der 18-Jährige offensichtlich schnell umgehen. „Der Bundestrainer hatte mir gesagt, dass ich mich was trauen soll und aggressiv in den Halbraum gehen soll. Und ich hatte ja auch nichts zu verlieren. Ich kenne es ja vom FC Bayern, wie es ist, wenn man eingewechselt wird. Wichtig ist, sofort da zu sein und Aktionen zu haben. Dann geht der Druck auch weg. Wenn es langsam geht und das Spiel an dir vorüberläuft, ist es schwieriger, dann denkst du zu viel nach und machst vielleicht Fehler. Ich habe alle Gedanken beiseitegeschoben und so frei gespielt wie möglich, mit viel Überzeugung. Genau das brauchten wir. Wenn du in so einer Situation ins Spiel kommst, darfst du dich nicht verstecken. Ich bin froh, dass ich dem Team helfen konnte und hoffe, gegen England wieder die Chance dazu zu bekommen“, gibt Musiala Einblicke in sein EM-Debüt.
In meiner Kindheit war ich mal Bayern-Fan. Aber diese Phase macht wohl jeder durch. So was legt sich.
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