England empört über «dreckiges Dutzend» der Super League

von Marcel Breuer | dpa18:10 Uhr | 20.04.2021
Liverpools Kapitän James Milner stellte sich als erster Profi eines der Rebellen-Clubs öffentlich gegen die Super-League-Pläne. Foto: Clive Brunskill/PA Wire/dpa

«Handgranaten» werden gefordert, von «Krieg» ist die Rede, Jürgen Klopps FC Liverpool steht im Fokus der Kritik: Die Super League lässt die Emotionen im selbst ernannten Mutterland des Fußballs hochkochen.

Die Pläne des «dreckigen Dutzend», wie die zwölf Gründungsmitglieder von der britischen Presse genannt werden, sorgen für massiven Widerstand und martialische Worte. Fans, Ex-Spieler und Medien sind empört, Premierminister Boris Johnson kündigte in der «Sun» an, dem «lächerlichen» Milliardenprojekt die Rote Karte zu zeigen. Sein Sportminister Oliver Dowden stellte im Parlament drastische Ideen vor, um die «Big Six», die englischen Spitzenvereine, von einer Teilnahme abzuhalten. Sogar Prinz William - Präsident des nationalen Verbandes FA - mischte sich ein.

Mittendrin im Trubel stand Jürgen Klopp. Es war dem deutschen Trainer des englischen Meisters FC Liverpool anzumerken, wie zerrissen er ist zwischen der persönlichen Abneigung der Super League, an der auch sein Verein teilnehmen will, und der Loyalität zu seinem Arbeitgeber. Ja, er bleibe dabei, dass er die Super League ablehne, aber zurücktreten wolle er nicht. Und dann ging der auf der Insel äußerst beliebte «Jurgen» zum Gegenangriff über. Seine Spieler seien nicht involviert in die Pläne, sondern würden sich für den Verein zerreißen. Für scharfe Angriffe des früheren Nationalspielers Gary Neville, der vor allem Liverpool sowie seinen Ex-Club Manchester United kritisiert hatte, habe er schon gar kein Verständnis.

Doch die Mehrheit in England gibt Neville und anderen Ex-Größen Recht. Liverpools Kapitän James Milner stellte sich nach dem mageren 1:1 bei Leeds United als erster Profi eines der Rebellen-Clubs öffentlich gegen die Pläne, während die Leeds-Profis mit T-Shirts gegen das Vorhaben protestierten. «Earn it» (Verdient es) stand dort unter dem Champions-League-Logo. Vor dem Stadion verbrannten Fans ein Liverpool-Trikot, am heimischen Stadion an der legendären Anfield Road hingen Protestplakate. «Schande», «Diebstahl», «Zerstörung»: Die britischen Zeitungen überschlugen sich auf ihren Titelseiten mit Anschuldigungen gegen die Super League.

Sechs Vereine aus der englischen Eliteliga wollen sich an der neuen Liga beteiligen. Außer Liverpool und Manchester United gehören dazu der aktuelle Spitzenreiter Manchester City sowie die Londoner Clubs FC Arsenal, FC Chelsea und Tottenham Hotspur. Mit Ausnahme der Spurs, die einem britischen Investmentunternehmen gehören, stehen Milliardäre aus den USA, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten als Eigner hinter den traditionsreichen Clubs. Auch die meisten anderen Erstligisten sind im Besitz von Konzernen oder reichen Individuen. Anders als in Deutschland, wo Konzerne und Privatpersonen wegen der 50+1-Regel - offiziell - nicht die Mehrheit an einem Fußballclub halten dürfen, ist das Prozedere in England seit Jahren akzeptiert.

Doch der Super-League-Vorstoß droht, die gesamte Fußball-Landschaft zu verändern. Einerseits könnte sich die Eigentümerstruktur verändern. So droht Sportminister Dowden den Clubs mit dem «deutschen Modell» einer Fan-Mehrheitsbeteiligung. Andererseits steht die Premier League ohne die «Big Six» vor einem Scherbenhaufen. Jedem Club drohen Einbußen in Höhe von Dutzenden Millionen Pfund bei TV-Geldern, wenn die stärksten Teams nicht mehr mitmischen. Das Interesse an der Premier League werde deutlich nachlassen, wenn die Teams, die in wichtigen, finanzstarken Märkten wie China oder arabischen Ländern Millionen Anhänger zählen, nicht mehr dabei sind, warnen Experten. Und auch auf die anderen Ligen werde sich der Exodus der Topclubs auswirken, weil Solidaritätszahlungen ausbleiben würden.

Dennoch machen die verbleibenden Clubs der Premier League nicht gute Miene zur Super League. In einer Videokonferenz wollten die 14 Erstligisten ihr weiteres Vorgehen abstimmen, die sechs Abtrünnigen waren explizit nicht eingeladen. Englands Ex-Nationalstürmer Alan Shearer rief die Premier League auf, mit «Handgranaten» auf den Vorstoß zu reagieren. Im Raum steht, dass die Clubs aufgefordert werden, die Premier League zum Saisonende zu verlassen. Noch aber hoffen die anderen auf eine Einigung. Der FC Everton sprach zwar von einer «Verschwörung». Dennoch streckte Liverpools Stadtrivale den «Big Six» die Hand aus. «Wir bitten Sie respektvoll darum, die Vorschläge sofort zurückzuziehen.» Die Eigner sollten noch einmal erwägen, welches Erbe sie hinterlassen wollen.

Wenn das alles nicht hilft, sieht sich die britische Regierung in der Pflicht, mit massiver Abschreckung die Vereine auf Linie zu bringen. Zu den Maßnahmen, die Minister Dowden im Parlament vorschlug, gehören Extrasteuern, eine geringere Anzahl von Sicherheitskräften an Spieltagen sowie eine Verweigerung der Arbeitserlaubnis für Neuzugänge aus dem Ausland. Damit steht die Regierung nun selbst stark unter Druck. Alles andere als eine Kehrtwende der sechs Vereine würde als politisches Versagen gelten. Andererseits: «Wenn nur einige dieser Maßnahmen umgesetzt würden, wäre die Super League tot», kommentierte das Online-Portal «Politico».

Indes hat sich Pep Guardiola hat gegen die Idee einer geschlossenen Liga ohne Möglichkeiten zum Auf- oder Abstieg ausgesprochen. «Es ist kein Sport, wenn kein Verhältnis zwischen Anstrengungen und Erfolg besteht», sagte der Trainer von Manchester City. Zu den konkreten Plänen der Super League wollte sich der Katalane jedoch nicht äußern. «Das ist ein bisschen unangenehm für uns. Wir haben nicht alle Informationen», so Guardiola. Sobald mehr bekannt sei, werde er seine Meinung dazu sagen, versprach er. Er rief die Entscheidungsträger dazu auf, ihre Pläne vollständig darzulegen.

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(dpa)



Im Training landet solch ein Schuss oft im Wald. Heute war er drin.

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