Suche nach Spanien-Code: Völler dribbelt, Nagelsmann tüftelt

von Marcel Breuer | dpa18:07 Uhr | 02.07.2024
Auch DFB-Sportdirektor Rudi Völler (l) war beim Training der deutschen Nationalmannschaft anwesend.
Foto: Federico Gambarini/dpa

Toni Kroos und Jamal Musiala spulten fleißig auf den Spinning-Rädern im Fitnesszelt ihr Aufwärmprogramm ab, da hielt es Rudi Völler nicht mehr aus. Hinter der Bande des Trainingsplatzes der Nationalmannschaft schnappte sich der DFB-Sportdirektor einen Ball und dribbelte munter drauflos. Übersprungshandlung. Ungeduld. Fußball-Lust. Julian Nagelsmanns Assistenztrainer Sandro Wagner schaute dem 64-jährigen Völler überrascht zu, wurde dann aber vom Bundestrainer zur letzten Besprechung gerufen. 

Gleich bei der ersten vollen Übungseinheit vor dem großen EM-Viertelfinale gegen den maximalen Prüfstein Spanien war zu spüren: Jetzt zählt es, jetzt kommt es für den Traum vom Titelgewinn auf jedes Detail an. Der mit Schwung eingeschlagene Weg zum Finale am 14. Juli in Berlin soll nicht beim vorletzten Schritt am Freitag (18.00 Uhr/ARD/Magenta TV) in der Stuttgarter Turnier-Sackgasse enden.

Gier und Momentum

«Wir müssen das Momentum zu uns rüberschwappen lassen, dass wir die Kontrolle haben, dann kann man den Spaniern auch wehtun», gab Leroy Sané am Dienstag die Zielsetzung der Arbeitswoche aus. «Extrem» sei die Gier, versicherte sein Münchner Teamkollege Joshua Kimmich im TV-Interview zwischen Schilf und Wasserkante am Rande des kleinen Sees unweit des EM-Quartiers. «Wir haben nur noch Finals, es ist alles möglich. Mit Spanien haben wir einen sehr guten Gegner, um zu sehen, wo wir stehen», sagte der Bayern-Profi der ARD. 

Nagelsmann schaute schon bei den Aufwärmübungen am Dienstag ganz genau hin. Auch für den Bundestrainer steigt die Erwartung. Jene von außen, wie die selbst auferlegte. Drei Mini-Tore und zwei in normaler Größe hatte der Bundestrainer auf dem Trainingsplatz zentral aufbauen lassen. Das Spiel auf engem Raum muss perfektioniert werden. 

Die Spanier stechen bei Taktik, Technik und Intensität bei der EM klar heraus. Rodrigo Hernández Cascante, kurz Rodri, EM-Shootingstar Nico Williams und sein Teenager-Pendant auf der rechten Außenbahn, Lamine Yamal, demonstrieren bislang mit Dominanz und Lockerheit die spanische Fußball-Souveränität. 

Sané von Yamal beeindruckt

Gerade Barcelona-Jungstar Yamal hat es auch Sané angetan. «Mit 16 Jahren schon so Fußball spielen zu können, ist schon sehr beeindruckend. Es macht einfach Spaß, da zuzuschauen, auch weil ich auf derselben Position spiele», sagte der 28-Jährige. Mit Yamal und Williams habe Spanien den Spielstil verändert. Nicht nur Ballkontrolle, sondern auch schnelles Spiel in die Spitzen hat Sané als Gefahr erkannt. 

Daniel Carvajal steht beim Gegner für die Titel-Mentalität von Real Madrid. Bundesliga-Größen wie Bayer Leverkusens Meisterspieler Alejandro Grimaldo und RB-Profi Dani Olmo sind nur Ersatz. Erstaunlich findet das Olmos Leipziger Club-Kollege David Raum

«So richtig auszurechnen sind die nie», sagte der 26-Jährige. Muss einem da bange werden? Mitnichten, findet Raum. «Wir müssen sie vor Aufgaben stellen. Wir müssen sie als ganze Mannschaft stoppen», forderte der Linksverteidiger. 

Raum hat sich ins Team gekämpft. Trotzdem bleibt Maximilian Mittelstädt ein harter Konkurrent. Ein Musterbeispiel für die Metamorphose in Nagelsmanns EM-Rollenspiel. Nachdem in den drei Gruppenspielen jeweils dieselbe Startelf auflief, herrscht nun ein Konkurrenzkampf auf einigen Positionen. K.-o.-Phase eben. Da steigt der Druck. Einsatzgewissheit gebe es jetzt noch nicht, berichtete Sané.

Nur ein Trio hat Spanien schon geschlagen

Nagelsmann hat mit seiner Personalpolitik bisher alles richtig gemacht. Doch von Spanien, das ist das Dilemma, wird jeder Fehler bestraft. Das lehrt die jüngere deutsche Fußball-Geschichte. Nur zwei Siege gab es in diesem Jahrtausend. Das Gefühl, gegen Spanien zu gewinnen, kennen aus dem EM-Kader nur Kroos, Antonio Rüdiger und Thomas Müller, die 2014 beim 1:0 in Vigo schon dabei waren. Kroos erzielte damals das Tor.

Für Sané darf die Historie nicht das Denken bestimmen. Er war bei der 0:6-Demütigung 2020 dabei. «Das hat natürlich sehr wehgetan», erinnerte er sich an die November-Nacht in Sevilla. Aber: «Im Endeffekt ist es die Vergangenheit. Wir haben die Chance, in die nächste Runde zu kommen, darum geht es», sagte der Münchner. 

Am Dienstag fehlte nur der Dortmunder Emre Can wegen leichter muskulärer Probleme auf dem Platz. Ein weiterer Joker-Einsatz wäre derzeit nicht in Gefahr. Der Leverkusener Jonathan Tah drängt nach seiner Gelb-Sperre gegen Dänemark wieder in die Abwehr. Nico Schlotterbeck hatte ihn im Achtelfinale als Nebenmann von Rüdiger hervorragend ersetzt. 

Dreierkette unwahrscheinlich

Der Bundestrainer sprach von einer «Luxussituation». Eine taktische Umstellung auf eine Kette mit allen drei Innenverteidigern wäre ein salomonischer Kniff. Nagelsmann mag diese Taktikversion. Aber was wäre das für ein Signal? Wir haben Angst. «Ich sehe es nicht kommen, dass wir mit Fünfer- oder Dreierkette spielen», sagte Kimmich. 

Was Tah in der Abwehr ist, ist sein Leverkusener Meisterkollege Florian Wirtz in der Offensive. Der 21-Jährige will nach seiner Joker-Rolle im Achtelfinale Sané aus der Startelf verdrängen. Und ganz Europa freut sich schließlich auf das Duell des Jungstar-Quartetts. Musiala & Wirtz gegen Williams & Jamal. Das ist der Fußball einer neuen Ära. 

Gesetzt in der Offensive sind Kapitän Ilkay Gündogan, der schon dreifache Turniertorschütze Musiala und Kai Havertz. Ungeachtet diversen medialen Trommelwirbels für dessen Sturm-Konkurrenten und Fan-Liebling Niclas Füllkrug. Öffentliche Einmischung in seine Personalgedanken hat sich der Bundestrainer längst verbeten. 

Havertz soll nachlegen

Nagelsmann lobte explizit Havertz nach dem 2:0 gegen Dänemark, bei dem dieser in seinem 50. Länderspiel das erste Tor per Elfmeter erzielt hatte. «Er hat viel gearbeitet, defensiv und offensiv. Ich hätte ihm noch ein Tor mehr gegönnt», sagte Nagelsmann. Havertz kann es ja nachholen. Am besten gegen Spanien. 

(dpa)





Zwischen Eintracht Frankfurt und ihm gibt es in Zukunft keine Basis mehr.

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