Die deutsche Nationalmannschaft hat auch den zweiten EM-Test des Jahres 2024 souverän bestritten. Am Dienstagabend besiegte die Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann die Niederlande verdient mit 2:1. Zuvor konnte die DFB-Auswahl am Samstag gegen den amtierenden Vize-Weltmeister Frankreich (2:0) überzeugend gewinnen. Die Einzelkritik und Noten zum Sieg gegen ‚Oranje‘.
Dienstag, 26.03.2024
Wie gegen Frankreich bekam Marc-André ter Stegen nicht viele gegnerische Schüsse auf sein Tor. Lediglich dreimal musste der Torhüter des FC Barcelona parieren. Beim Abschluss von Donyell Malen (18.) klatschte der 31-Jährige den Ball mit einer Hand ungeschickt ab – glücklicherweise stand kein Niederländer zum Abstauben bereit. Einige Male wirkte der Schlussmann unsicher. In der Nachspielzeit hielt er den Sieg beim Abschluss von Xavi Simons aber sicher fest (90 + 1.). Im Spielaufbau gewohnt ruhig und stets anspielbar. Beim einzigen Gegentor (4.) machtlos. Note 3.
Donyell Malen und Daley Blind sind nicht Kylian Mbappé und Lucas Hernández – daher fiel es Joshua Kimmich trotz Tempodefizits gegen die Niederlande leichter, die rechte Seite sauber zu halten. Die Gegner sorgten über links kaum für Gefahr. Der Bayern-Akteur integrierte sich mit guten Ideen im letzten Drittel ins Offensivspiel, blieb aber etwas zaghaft. Insgesamt konnte Kimmich unterstreichen, dass er die Rolle als Rechtsverteidiger gut annehmen kann. Note 2,5.
Antonio Rüdiger war einmal mehr der Ruhepol in der Defensive – trotz lautstarken Kommandos. Der Real-Star stand in Zweikämpfen gut und unterstützte seine Mitspieler, wo er nur konnte. Rettete zu Beginn der zweiten Halbzeit vor dem einschussbereiten Memphis Depay (48.). Konnte auch offensiv mit guten Diagonalbällen und Kopfballstärke für Gefahr sorgen. Note 2.
Jonathan Tah agiert erneut als kongenialer Partner von Rüdiger und ließ nichts anbrennen. 87 seiner 92 Pässe landeten beim Mitspieler (95 %), zudem zweikampfstark und abgeklärt. Der 28-Jährige strahlte Ruhe und Stabilität aus und konnte das Offensivspiel der Niederländer eindämmen. War beim Gegentor gleich doppelt unglücklich: Erst verpasste er Mittelstädts Zuspiel, dann rutschte er aus (4.). Konnte sich danach aber fangen. Note 3.
Das zweite Länderspiel – übrigens beide von Beginn an – wurde für Maximilian Mittelstädt zu einer emotionalen Achterbahnfahrt. Sein Fehlpass leitete das frühe Gegentor durch Joey Veerman ein (4.). Keine sieben Minuten später machte er seinen Fehler mit einem Traumtor wett (11.). Ein satter Distanzschuss brachte die deutschen Fans beim Debüt des Songs „Major Tom“ von Peter Schilling als Torhymne in Schwung. Danach spielte der Stuttgarter „völlig losgelöst“, machte seine Aufgaben auf der linken Defensivseite weitestgehend gut und setzte offensive Akzente. Allerdings war ihm auch die fehlende internationale Erfahrung erneut anzumerken. Note 2.
Kroos‘ Rückgrat Robert Andrich konnte vor allem in der ersten Halbzeit seine Klasse unter Beweis stellen. Nach 45 Minuten lagen seine Pass- sowie Zweikampfquote bei 100 %. In seinem dritten Länderspiel hielt er Kroos wieder den Rücken frei und stabilisierte das deutsche Mittelfeld. Zeitweise ließ er sich zwischen beide Innenverteidiger fallen, um bei Ballverlusten abzusichern. Traute sich auch nach vorne, konnte aber nicht für Gefahr sorgen – ein Distanzschuss segelte weit über das Tor vom niederländischen Keeper Verbruggen (20.). Sah nach einem Foul an Depay die Gelbe Karte (53.) und wurde vorsorglich ausgewechselt (59.). Note 2,5.
Toni Kroos hat nach dem Spiel wohl wieder Eiswürfel gepinkelt. Als Taktgeber des deutschen Spiels überzeugte er auch in der zweiten Partie nach seiner Rückkehr ins DFB-Team auf ganzer Linie. Der 34-Jährige eroberte viele Bälle, strahlte Ruhe aus und war neben gewohnt sicherem Passspiel (105 von 112 angekommen, 94 % Passquote) auch in Zweikämpfen präsent. Leitete mit guter Übersicht bei einem kurz ausgeführten Eckball den 1:1-Ausgleich ein (11.). Bereitete mit einem Eckball auch das 2:1 vor (85.). Nach Gündoğans Auswechslung Kapitän (59.). Note 1,5 (Spieler des Spiels).
Jamal Musiala spielte wie gewohnt spritzig und kreativ, konnte gegen die tief stehenden Niederländer aber nur selten glänzen. Zudem machte ihm der Frankfurter Rasen zu schaffen: Vor allem in der ersten Halbzeit rutschte er oft aus und vertändelte viele Bälle. Positionswechsel mit Wirtz durchbrachen die gegnerische Kette und ließen ihn gelegentlich strahlen. Highlights: Assist zur 1:0-Führung (11.), bereitete Gündoğans Riesenchance zum 2:1 vor (18.) und scheiterte bei einer weiteren Großchance lediglich am starken Verbruggen (79.). Note 3.
Wieder keine wirklich glückliche Vorstellung des Kapitäns. Gündoğan vergab in der ersten Halbzeit eine Riesenchance, das Spiel früh zu drehen und scheiterte frei vor Verbruggen (18.). Auf der anderen Seite war er nach einem niederländischen Freistoß gegen Malen im letzten Moment zur Stelle (33.). Bessere Leistung als gegen Frankreich, aber es fehlten die Ideen. Hatte mit nur 35 Ballkontakten die wenigsten aus der Startelf. Auch im zweiten DFB-Spiel des Jahres nicht so gut, wie er eigentlich sein könnte. Wurde in der 59. Minute ausgewechselt, für ihn kam Pascal Groß. Note 4.
Wirtz war wieder einmal enorm präsent. Vor allem in der ersten Halbzeit konnte der Leverkusener seine guten Aktionen nicht in Zählbares ummünzen. Wie Musiala quirlig, aber zu überhastet – zehn Ballverluste sprechen eine deutliche Sprache. Schickte mit einem genialen Pass Havertz, der jedoch leicht im Abseits stand (39.), ansonsten aber glanzlos. Wirkte nach Gündoğans Auswechslung auf der Zehnerposition etwas sicherer. Insgesamt aber zunehmend schwächer. Rund fünfzehn Minuten später wechselte Nagelsmann ihn aus (73.). Note 3.
Neuner, Achter, Zehner – oder doch Linksverteidiger? Welche Rolle interpretiert Kai Havertz im deutschen Spiel? Diese Frage stellten sich auch elf verwirrte Niederländer, wodurch der Offensivspieler vom FC Arsenal die gegnerischen Abwehrspieler auf sich ziehen konnte. Zu mehr als ein paar geschafften Freiräumen für deutsche Chancen reichte es aber nicht. Unauffälligster DFB-Akteur. Sein bisheriger Stammplatz in diesem Jahr dürfte künftig in Gefahr sein. Note 4,5.
Nach seiner Einwechslung in der 59. Minute belebte Chris Führich mit Tempo und scharfen Flanken das deutsche Offensivspiel. Der Stuttgarter zog oft von der linken Seite ins Zentrum und zeigte gute Ansätze. Leitete zwei gute Chancen von Müller und Musiala ein. Bester Joker der DFB-Auswahl. Note 2.
Achtung Wortspiel: Groß fiel nicht großartig auf. Ersetzte den starken Andrich nach 59 Minuten positionsgetreu und brachte 25 seiner 27 Pässe zu Mitspielern. Weder positiv noch negativ zu erwähnen. Note 3.
Niclas Füllkrug (ab 73.): Ersetzte den schwachen Havertz und konnte mit seinem Tor zum 2:1 das Spiel entscheiden. Mehr muss ein Stürmer nicht tun. Ohne Bewertung.
Thomas Müller (ab 73.): Kam für Wirtz und brachte Dynamik ins Spiel. Agierte als Anführer und gab Impulse. Gute Chance in den Schlussminuten (83.). Ohne Bewertung.
David Raum (ab 79.): Machte seine Sache als Linksverteidiger souverän, jedoch ohne die Dynamik seines Vorgängers Mittelstädt. Wird sich im internen Machtkampf wohl hinter dem Stuttgarter einreihen müssen. Ohne Bewertung.
Benjamin Henrichs (ab 79.): Löste Kimmich hinten rechts ab. Erledigte seine Aufgaben solide. Ohne Bewertung.
Fotos im Artikel: Getty Images
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