Nations League | 12.09.2024 10:27 Uhr

‚Re-Start‘ nach Heim-EM: 3 Gewinner und Verlierer der Länderspiele

Nicht alle der 23 Spieler waren nach den Länderspielen glücklich. Foto: Alex Grimm/Getty Images

Die ersten Länderspiele nach der Heim-EM sind vorbei: Die deutsche Nationalmannschaft musste in der Nations League zweimal ran. Bei den Duellen gegen Ungarn (5:0) und die Niederlande (2:2) kristallisierten sich einige Gewinner und Verlierer der ersten DFB-Spiele nach dem großen Turnier im eigenen Land heraus.


Nagelsmann verzichtet auf Experimente

Trotz hitzigem Abschluss und Aufregern gegen ‚Oranje‘ dürfte Bundestrainer Julian Nagelsmann zufrieden sein. Mit den Rücktritten von Thomas Müller, İlkay Gündoğan, Toni Kroos und Manuel Neuer hatte er gerade vier seiner wichtigsten Stützen verloren. Deshalb verzichtete der 37-Jährige für den „Re-Start“ nach der Heim-EM auf große Experimente. Das vorhandene Personal sollte die fehlenden Größen kompensieren. Lediglich der Stuttgarter Angelo Stiller tanzte aus der Reihe und durfte sich über sein Debüt für Deutschland freuen.

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Das Ergebnis: Ein dominanter Sieg gegen schwache Ungarn, sowie eine couragierte Achterbahnfahrt gegen die orangefarbenen Nachbarn. Nagelsmann vertraute weitestgehend den Spielern, die schon bei der Heim-EM dabei waren. Einige konnten dies zurückzahlen und die Länderspiele für sich nutzen. Andere haderten auf dem Platz oder wurden ganz außen vor gelassen. Ein Blick auf die Gewinner und Verlierer der ersten 180 DFB-Minuten nach der EURO 2024.


Gewinner: Marc-André ter Stegen

Die neue Nummer 1 ist der erste Gewinner. Nach der Entscheidung pro Neuer für die EM befürchtete Nagelsmann sogar einen Rücktritt von Marc-André ter Stegen aus der Nationalmannschaft. Der Torhüter des FC Barcelona war jahrelang hinter dem wohl besten Keeper aller Zeiten gefangen. Nach dessen Abtreten ist der Weg frei für den mittlerweile 32-Jährigen – der vor zwölf (!) Jahren mit 20 für Deutschland debütierte –, eine (wenn auch kurze) Ära im deutschen Tor zu prägen.

Der Startschuss ist geglückt: Gegen Ungarn und die Niederlande zeigte der gebürtige Gladbacher souveräne Leistungen. Natürlich ist er routiniert, versprühte jedoch nicht im Geringsten einen Hauch von Nervosität. Kaum jemand zweifelt an Nagelsmanns Entscheidung, den Barça-Schlussmann zur neuen Nummer 1 zu ernennen. Mit seinem 41. und 42. Länderspiel hat ter Stegen seinen neuen Status zementiert. Wichtig für die Zukunft, denn die langen Jahre der offenen Torwartfrage haben nicht unbedingt für Sicherheit gesorgt.

Verlierer: Jonathan Tah

Antonio Rüdiger hat die Länderspiele nach Rücksprache mit Real Madrid ausgelassen. Leverkusens Jonathan Tah – der während der EM mit Rüdiger die Innenverteidigung bildete – konnte die Abwesenheit des unumstrittenen Abwehrchefs nicht zur Eigenwerbung nutzen. Nach einem glanzlosen Auftritt gegen Ungarn war der 28-Jährige gegen die Niederlande gedanklich und körperlich völlig von der Rolle. Der amtierende Double-Gewinner hatte maßgeblichen Anteil am frühesten deutschen Gegentor seit 1974. Gegen schnelle Niederländer und vor allem einen starken Brian Brobbey hatte Tah wenig Zugriff und wusste sich nur durch etliche Fouls zu helfen. Zur Halbzeit war sein Arbeitstag vorbei, inklusive scharfer Kritik von Bondscoach Ronald Koeman.

„Tah hatte große Probleme, hat viele Fehler gemacht“, sagte der gegnerische Trainer bestimmt. Mit einer Gelben Karte im Gepäck wurde der Defensivspieler zum Unsicherheitsfaktor. Kein gutes Bewerbungsschreiben für die Stelle als unumstrittener Rüdiger-Partner. Vielleicht waren die Länderspiele nach all dem Gerüchte-Dusel der letzten Monate nur eine Momentaufnahme. Ansonsten könnten Nico Schlotterbeck oder Waldemar Anton Tah den Stammplatz streitig machen.

Gewinner: Der Bayern-„Block“

Auch der Bayern-„Block“ im 23-köpfigen Kader konnte punkten. Zumindest, was von dem einst riesigen Block übrig geblieben ist. Ein Trio. Dennoch konnten sowohl der neue Kapitän Joshua Kimmich als auch die Youngster Jamal Musiala und Aleksandar Pavlović überzeugen. Kimmich bestätigte – wie schon ter Stegen –, dass Nagelsmann richtig entschieden hatte. In seinen ersten zwei Spielen als neuer ‚Capitano‘ zeigte der Münchner als Rechtsverteidiger starke Leistungen. Mit seinem Tor zum zwischenzeitlichen 2:1 gegen die Niederlande konnte er sich zudem selbst belohnen. Auch seinem geliebten Bonsaibaum geht es gut. Ein perfekter Einstand als Kapitän. Neben der Torwartfrage gilt auch die Diskussion um die Armbinde als beendet.

Aleksandar Pavlović hat die Europameisterschaft wegen eines Infekts kurzfristig verpasst. Die kommenden Spiele dienen ihm nun als große Bühne, um sich als Nationalspieler zu beweisen. Nagelsmann schenkte ihm als Joker in beiden Spielen sein Vertrauen. Pavlović wusste das zurückzuzahlen. Mit seinen zarten 20 Jahren agierte der Münchner ruhig und routiniert, aber auch mutig. Gegen Ungarn traf er sogar erstmals im DFB-Dress. Wenn er seine Form halten kann, wird Pavlović – auch mit Blick auf den deutlich älteren Pascal Groß – die deutsche Schaltzentrale bei der WM 2026 sein.

Über Jamal Musiala muss nicht viel gesagt werden: Zusammen mit Florian Wirtz glich er gegen Ungarn zwei unbesiegbaren Zauberern. Obwohl er gegen ‚Oranje‘ blass blieb und von Mitspieler Robert Andrich angezählt wurde, wird er Fußball-Deutschland in Zukunft sehr viel Freude bereiten.

Verlierer: Alle „zwischen TV und Bank“

Zu den größten Verlierern den vergangenen zwei Länderspiele zählen diejenigen, die gar nicht oder kaum gespielt haben. Die klare Rollenverteilung im DFB-Team zeigte den Nicht-EM-Fahrern, dass der Weg zurück in die Nationalmannschaft immer schwieriger wird. Mit Ausnahme von Leroy Sané und Antonio Rüdiger könnten viele, die gegen Ungarn und ‚Oranje‘ nicht im Kader standen, in die Röhre schauen. Im Moment ist es nur schwer vorstellbar, wie die einst gesetzten Kaderbestandteile – Julian Brandt, Robin Gosens, Serge Gnabry, Leon Goretzka & Co. – ihren Weg in Nagelsmanns immer enger zusammenrückendes Kernteam finden sollen.

Selbst einige Joker, denen der Bundestrainer teils wenige Minuten gab, konnten in beiden Spielen nicht glänzen. Dortmunds Maximilian Beier, Chris Führich vom VfB Stuttgart oder Frankfurts Robin Koch blieben fast völlig blass. Sie stehen exemplarisch für die Spieler, die sich steigern müssen, um nicht aus dem engen Kreis zu fallen.

Gewinner: Deniz Undav

Das Leid eines Mannes ist manchmal eines anderen Freud. Nach der Abreise von Niclas Füllkrug feierte Deniz Undav sein Startelf-Debüt für die Nationalmannschaft. Der Stuttgarter konnte seine Kritiker gegen die Niederlande schnell zum Schweigen bringen. An beiden deutschen Toren gegen die mit internationalen Stars bestückte niederländische Defensive war er direkt beteiligt.

Beim zwischenzeitlichen Ausgleich konnte die neue Nummer 13 ihr erstes Länderspieltor bejubeln. Kurz vor der Halbzeitpause bereitete er Kimmichs Treffer vor. Auch abseits des Platzes fällt der Offensivspieler mit launigen Momenten auf. Sein erstes DFB-Spiel von Anfang an konnte er prompt nutzen, um zu beweisen, dass er ein ernsthafter Konkurrent für Füllkrug ist.

Verlierer: Maximilian Mittelstädt

Für einen anderen Stuttgarter waren es zwei Spiele zum Vergessen. Noch in der März-Länderspielpause avancierte Maximilian Mittelstädt zu einem der großen Gewinner im deutschen Team. Zu Beginn der Europameisterschaft war der Stuttgarter hinten links gesetzt. Im Laufe des Turniers hat ihm David Raum den Rang abgelaufen – vielleicht wurde dem Spätstarter das steigende Niveau irgendwann zu hoch.

Bitter: Der 27-Jährige war der einzige Feldspieler, der gegen Ungarn und die Niederlande nicht zum Einsatz kam. Rivale Raum konnte derweil in beiden Spielen überzeugen. Auch beim VfB Stuttgart ist Mittelstädt auf der Linksverteidigerposition nicht mehr unumstritten. Der Weg zurück in die DFB-Startelf wird alles andere als einfach.

Honourable mentions

Eine Liste weiterer „kleiner“ Gewinner und Verlierer, die es nicht in die Hauptauswahl geschafft haben.

Gewinner: Julian Nagelsmann, David Raum, Pascal Groß, Angelo Stiller

Verlierer: Nico Schlotterbeck, Niclas Füllkrug, (Kai Havertz)



Dietmar ,,Didi" Wolff, ORF-Reporter der Partie England-Deutschland (2:0) bei der EM 2021

Gary Lineker, der große Nationalspieler und BBC-Starmoderator hat mal gesagt: Fußball ist ein Spiel mit 22 Leuten und über 90 Minuten und am Ende gewinnen immer die Deutschen. Gary Lineker lag noch nie so falsch!

Dietmar ,,Didi" Wolff, ORF-Reporter der Partie England-Deutschland (2:0) bei der EM 2021