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Manchester United sorgte für (fast) so viel Aufsehen wie die Verpflichtung des neuen Trainers ein paar Tage zuvor. Mitte November hatte der Traditionsclub den Portugiesen Rúben Amorim als Coach präsentiert, eine gute Woche später überraschte der englische Fußball-Rekordmeister dann mit ganz anderen Neuigkeiten: Als erster Club der Premier League will United männlichen Fans mit Blasenschwäche den Stadionbesuch erleichtern. Dazu werden im Stadion Old Trafford künftig sanitäre Produkte wie Einlagen für Männer angeboten. Dass sich hier einer der größten Vereine der Welt als Vorreiter präsentiert, blieb auch in Deutschland nicht verborgen. «Es ist meines Erachtens ein wichtiges Signal, das der Club hier aussendet, da vor allem ältere Männer häufig von Prostatakrebs betroffen sind und daher an Inkontinenz zumindest vorübergehend leiden können, was sich nicht gut mit einem Stadionbesuch vereinbart», sagt Thomas Schneider, Leiter Fanangelegenheiten der Deutschen Fußball Liga (DFL), der Deutschen Presse-Agentur.
Wichtiges Signal, aber Ausnahme?
Es ist auf der anderen Seite aber auch ein Signal, das deshalb besonders auffällt, weil die Red Devils damit eine Ausnahme bilden. In der Bundesliga ist ein ähnliches Angebot bislang nicht bekannt. Es gebe bisher auch keine Signale aus der Premier League, dass man das Manchester-Beispiel nun zum Liga-Standard machen wolle, ergänzt Schneider: «Es ist ein oft immer noch tabuisiertes Thema, nicht jeder Betroffene möchte hiermit offensiv oder öffentlich umgehen.» Aber: Fortschritte gibt es dafür in anderen Bereichen, zum Beispiel bei Menstruationsprodukten oder genderneutralen Toiletten. Unisex-Toiletten etwa sind schon seit einigen Monaten bei allen Spielen der Nationalmannschaft in Deutschland auf DFB-Initiative hin Standard. Auch in erster und zweiter Liga bieten Clubs wie der FC Schalke 04, Hertha BSC oder der VfL Wolfsburg genderneutrale WCs an, Tendenz steigend. Beim SC Freiburg oder dem FC St. Pauli gibt es an Spieltagen kostenlose Hygieneartikel wie etwa Periodenprodukte. «Es gibt einzelne Stadien, die hier schon weiter sind als andere», sagt Daniela Wurbs von «KickIn!», einer Beratungsstelle für Inklusion im Fußball. «Insgesamt ist es jedoch themen- und teilweise budgetabhängig, wie fortgeschritten die Entwicklung ist.»
Was in deutschen Stadien noch fehlt
«KickIn!» setzt sich in Deutschland seit 2017 dafür ein, Barrieren beim Stadionbesuch abzubauen. So etwa berät die Organisation Vereine und Stadionbetreiber dabei, das Stadionerlebnis inklusiver zu gestalten. Unterstützt wird die Arbeit von der DFL. Eines Tages würde man gerne mal einen Preis für das inklusivste Stadion in Deutschland ausloben, sagt Wurbs. «Von unserer Vision eines inklusiven Stadions sind wir aber in Deutschland aktuell leider noch sehr weit entfernt.» Eine der größten Baustellen aus «KickIn!»-Sicht etwa bleibt es, dass nicht darüber nachgedacht werde, wie der gesamte Stadionbesuch so gestaltet werden könne, dass alle überall gleichberechtigt teilnehmen können.Was damit konkret gemeint ist: Obwohl es etwa an vielen Standorten sogenannte «Speziallösungen» wie zum Beispiel die Männer-Binden bei Manchester United gibt, fehlt «KickIn!» aber noch der ganzheitliche Ansatz. Es bleibt also noch Arbeit, ein paar Pflegeprodukte hier oder genderneutrale Toiletten dort reichen aus Sicht der Beratungsstelle noch nicht aus. «Aber wir sind der festen Überzeugung, dass wir uns auf einem guten Weg befinden und sich der Fußball nicht hinter anderen gesellschaftlichen Bereichen verstecken muss», sagt Thomas Schneider von der DFL.(dpa)