War es die Anfield-Atmosphäre? Bayers bittere Lehrstunde

von Marcel Breuer | dpa12:01 Uhr | 06.11.2024
Xabi Alonso hatte sich seine Rückkehr an die Anfield Road anders vorgestellt.
Foto: Federico Gambarini/dpa

Selbst Xabi Alonso fehlten ein wenig die Worte für das, was in der zweiten Halbzeit an der Anfield Road passierte. Es war irgendwann zwischen der 50. und 60. Minute, als die Mehrheit des Stadions plötzlich einer Eingebung zu folgen schien. Nach jeder noch so kleinen Torchance des FC Liverpool schrien die Fans nun lauter, als wollten sie den Ball allein mit ihren Stimmen über die Linie drücken. Kurz darauf standen sie fast alle.

Ob die Spieler von Bayer Leverkusen sich von dieser gewaltigen Kulisse einschüchtern ließen, oder nicht - das werden sie nur selbst für sich beantworten können. Fakt ist, dass mitten in dieser Phase und angetrieben von der legendären Anfield-Atmosphäre Luis Díaz (61. Minute) und Cody Gakpo (63.) per Doppelschlag die Gäste aus dem Spiel nahmen. Leverkusen war besiegt, innerhalb von zwei Minuten. 

Alonso lächelte müde, als er im Anschluss darauf angesprochen wurde. Wenn nicht der ehemalige Liverpool-Profi, wer sonst hätte erklären können, was die Anfield-Stimmung mit einem macht? «Es ist in Worten schwer zu beschreiben, was du auf dem Spielfeld fühlst», sagte Leverkusens Trainer und sprach von einem «Extra-Boost» für die Spieler der Gastgeber. 

Kaum Worte für die Anfield-Atmosphäre

Von 2004 bis 2009 hatte der Baske selbst für die Reds gespielt und sich etliche Male von diesem «Boost» antreiben lassen. In passende Worte schnüren konnte aber auch er das Gefühl nicht, das den Deutschen Meister in der zweiten Halbzeit möglicherweise einschüchterte und die Gastgeber beflügelte. Wobei der Stimmungsumschwung auf den Tribünen nicht der einzige Erklärungsansatz für das 0:4 war. In der Schlussphase hatte Díaz (83. und 90.+2) das Ergebnis weiter in die Höhe geschraubt.

«In der ersten Halbzeit haben wir genau so gespielt, wie wir uns das vorgestellt haben», sagte Mittelfeldchef Granit Xhaka. «In der zweiten Halbzeit kriegen wir dann die Gegentore zu einfach, kommen nicht schnell genug zurück auf unsere Positionen, gewinnen keine 50/50-Bälle mehr in unserem Strafraum.» Tatsächlich geben die Worte des Schweizer Nationalspielers den Spielverlauf ziemlich gut wieder.

Alonso hatte die Reds und ihren Trainer Arne Slot zunächst mit seiner Aufstellung überrascht. Mit gleich drei zentralen Mittelfeldspielern und disziplinierter Defensivarbeit bremste Leverkusen die Offensive der Engländer aus, zudem spielte Angreifer Victor Boniface überraschend auf dem linken Flügel. «Noch nie» habe er Boniface und Bayer so spielen sehen, sagte Slot später. In der Pause konnte er sein Team aber darauf einstellen.

Und genau hier lag eines der Leverkusener Probleme. Schon im ersten Durchgang hatten die Gäste durch die ungewohnte Formation den Fokus auf die Verteidigung des Gegners gesetzt, dafür aber offensiv selbst kaum stattgefunden. Nach der Pause wollte Leverkusen so weiterspielen, aber Liverpool wusste jetzt Bescheid. Es folgte Bayers Ende in drei Stufen: Die Gastgeber pressten höher, das Publikum wurde lauter, Leverkusen leistete sich nicht zum ersten Mal in dieser Saison Abwehr-Aussetzer.

Alonso wusste im Anschluss daran schon, dass wohl eine unruhige Nacht folgen würde. «Heute wird es schwieriger sein zu schlafen», sagte der Baske, der letztlich eine simple wie treffende Analyse präsentierte: «Gegen Top-Mannschaften sind 60 Minuten nicht genug.»

(dpa)





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