Kaiserslautern, Fritz-Walter-Stadion, 6. November 1991. Am Betzenberg spielt sich ein unglaubliches Fußball-Drama ab. Ein Europacupspiel, dass das RUND Magazin Jahre später unter die fünf emotionalsten Spiele mit deutscher Beteiligung wählt. Fussballdaten.de erzählt die magisch-tragische Nacht des 1. FC Kaiserslautern mit den besten Sprüchen nach.
Demir Hotic
•Mittelfeld•Unbekannt
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2. Bundesliga
Im Nieselregen eines kalten Novemberabends ziehen die Fans des 1. FC Kaiserslautern kollektiv schweigend vom Betzenberg ab. „Trotzdem gut gespielt hammer“, raunt ein Mann in die SWR-Kameras.
Auf dem Rasen des Fritz-Walter-Stadions liegen Marco Haber und Co. indes in Tränen aufgelöst. Es wird eine Stunde dauern, bis sich die Spieler den Journalisten stellen können. „Aus“ gegen den FC Barcelona, 3:1 nach 0:2 im Hinspiel von Camp Nou, die große Chance, in der neuen Gruppenphase im Europapokal der Landesmeister – seit 1992 auch Champions League genannt – viel Geld zu verdienen, in letzter Sekunde verpasst. Ein Kopfballtor von José Mari Bakero ruiniert ein Jahrhundertspiel. Oder: „Fußball 2000 Marke Betzenberg“, wie es der SWR formuliert.
Deutscher Meister? Kuntz hat seine Zweifel…
Spielen lässt ihn Dragoslav Stepanovic mit Eintracht Frankfurt, aber auch „Kalli“ Feldkamp. Der Trainer-Veteran ist Anfang 1990 aus Ägypten nach Kaiserslautern zurückgekehrt. Feldkamp hat den vor dem Abstieg stehenden Traditionsklub aus der Pfalz erst gerettet, dann zum DFB-Pokalsieg geführt und 1991 sensationell zum Deutschen Meister gemacht. „Weißt du, dass wir Deutscher Meister werden können?“, nimmt Feldkamp im Trainingslager in Südfrankreich Anfang 1991 seinen Kapitän und prominentesten Spieler, Stefan Kuntz beiseite. Der Stürmer ist irritiert: „Ich dachte erst an eine Fischvergiftung.“
Dachten sie in München wohl auch. Bayern München kann mit dem kecken Außenseiter aus der Pfalz, dem Berufs-Underdog aus Kaiserslautern, als Titelkonkurrent nichts anfangen. „Zu der Mannschaft möchte ich gar nichts sagen, das ist mir zu doof“, wiegelt Bayerns Lautsprecher Stefan Effenberg ab.
FCK-„Aus“ gegen Barcelona hat auch unglaubliche O-Töne
Das i-Tüpfelchen zum Gesamt-Kunstwerk 1. FC Kaiserslautern Anfang der 90er-Jahre, in den wilden Nach-Wendezeiten, verpasst der FCK am 6. November 1991. Abwehr-Kante Wolfgang Funkel findet von den geschlagenen Lauterern als erster die Sprache wieder: „Ich habe den Sieg schon nach Hause schaukeln gesehen.“ Karl-Heinz Feldkamp empfindet sportlich-diplomatische Züge in diesen Minuten nicht als leicht. „Es fiel mir schwer, Johan Cruyff nachdem Spiel die Hand zu geben“, sagt der Trainerfuchs später. Zur Stimmungslage seiner Mannschaft findet Feldkamp dann seinen westfälischen Humor wieder: „In unserer Kabine ist es nasser als nach einem Wasserrohrbruch.“
„König“ Johan erst ratlos, dann radebrechend am Betze…
Cruyff und das „Dream Team“ des FC Barcelona. Das sind Andoni Zubizarreta, Ronald Koeman, Michael Laudrup und Hristo Stoichkov sowie ein gewisser Pep Guardiola. Sie werden sich 1992 in Wembley zum letzten Mal im alten Format den Europapokal der Landesmeister holen. Zuvor erweist sich der Betzenberg als das vielleicht höchste Hindernis für die stolzen Katalanen. Die zu jedem Zeitpunkt aber deutlich machen, wer der Boss in diesem Duell ist. „Warum soll man immer nach die Andere gucken? Wir sollen die Ball bekommen – und die sollen aufpassen“, ist Cruyffs Marschroute vor dem Spiel klar.
Lautern scheint „Barca“ mit Offensivgeist, Tempospiel und Toren von Demir Hotic (2) und Bjarne Goldbaek an die Wand zu spielen. „Eigentlich musste es 4:0 oder 5:0 stehen“, sagt Koeman danach fast mit Mitleid. Doch dann kommt die ominöse 90. Minute. ZDF-Livekommentator Dieter Kürten sieht das Unheil kommen: „Hinten wird gerudert.“
Nicht gut! Ein Kopfballtor von Bakero ins lange Eck bringt Barcelona doch noch in die Gruppenphase. „So glücklich bin ich noch nie weitergekommen“, sagt Cruyff anschließend. Und „König Johan“ hatte Recht…
Ich könnte jetzt sagen, ich fahre jeden Tag mit dem Fahrrad zum Training, aber das mache ich nicht. Ich komme mit dem Porsche zum Training und fühle mich gut dabei.
— Sandro Wagner