Beim Aufwärmen trugen die Profis von Paris Saint-Germain und Basaksehir Istanbul sowie die Schiedsrichter weiße T-Shirts mit den Logos beider Vereine und der Aufschrift «No to Racism» (Nein zu Rassismus).
Dienstag, 08.12.2020
Vor dem Anpfiff knieten die Spieler rund um den Mittelkreis nieder und erhoben eine Faust - als Geste gegen Rassismus, als Hommage an den US-Football-Profi Colin Kaepernick.
Auch der Tag nach dem Spielabbruch der Champions-League-Partie im Pariser Prinzenpark war ein Tag der Symbolik und der starken Gesten. Im Stadion waren Transparente mit Botschaften gegen Rassismus aufgehängt worden. Darauf stand unter anderem «Unterstützung für M. Webo... Stolz auf die Spieler... gegen Rassismus» und «Paris vereint gegen Rassismus». Der am Vorabend mit einer Roten Karte bestrafte Istanbuler Co-Trainer Pierre Webo durfte auf der Bank Platz nehmen - und sah am Mittwoch eine 1:5-Niederlage des türkischen Meisters. Damit zog PSG als Gruppenerster vor RB Leipzig in die K.o.-Runde ein.
Doch Torschützen und Ergebnisse waren zweitrangig. Als «Zeichen in Europa» oder «historische Entscheidung» waren die Vorgänge am Dienstagabend schon zuvor gewürdigt worden. Selten in der Geschichte des Profifußballs hat ein Spielabbruch solche Reaktionen hervorgerufen. Mit ihrem gemeinsamen Abgang vom Rasen nach einem Rassismusvorfall durch den Schiedsrichter-Assistenten sendeten Basaksehir und PSG ein Zeichen der Stärke und Entschlossenheit.
«Diskriminierung hat keinen Platz. Nicht im Fußball, nicht auf der Welt», schrieb PSG-Profi Thilo Kehrer, Brasiliens Superstar Neymar veröffentlichte ein «BLACK LIVES MATTER» (Schwarze Leben zählen), und von Kylian Mbappé hieß es: «Say no to Racism. M. Webo we are with you» (Wir sind bei dir). Weil die Gäste aus der Türkei sich am Dienstagabend nach den Äußerungen des Vierten Offiziellen weigerten weiterzuspielen, entschied die UEFA kurz vor Mitternacht, die Partie nicht wieder anzupfeifen und am Mittwochabend mit einem neuen Schiedsrichterteam beim Stand von 0:0 nach 15 Minuten fortzusetzen.
Der Entscheidung der Teams, vor allem forciert vom ehemaligen Hoffenheimer Bundesliga-Profi Demba Ba, der mittlerweile für den türkischen Meister spielt, zollten Politik, Verbände und internationale Top-Stars Respekt. «Heute Abend haben Sportler, Athleten eine historische Entscheidung getroffen gegenüber einer Einstellung, die sie als inakzeptabel beurteilt haben», schrieb Frankreichs Sportministerin Roxana Maracineanu bei Twitter. Sie könne «die starke Symbolik ihrer Geste und ihrer Solidarität nur begrüßen.»
Die UEFA ernannte einen Ethik- und Disziplinarinspektor zur Aufarbeitung der Vorfälle und kündigte «in Kürze» weitere Informationen an. DFB-Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich (63) will auch bei den deutschen Unparteiischen das Thema ansprechen. «Der Vorfall in Paris ist für uns Anlass, auch unsere Schiedsrichter noch einmal auf die Sensibilität dieses Themas hinzuweisen», sagte er der «Bild». Sich gegen Rassismus zu stellen, sei «die oberste Prämisse für Spieler, Trainer - aber auch für Schiedsrichter», sagte Fröhlich.
Der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau bezeichnete das Verhalten der Profis als «angemessen und vorbildlich». Es sei erschreckend, dass die angebliche rassistische Beleidigung vom Schiedsrichter kam. «Das ist ein neues Level, wenn man es so sagen darf», sagte der 39 Jahre alte frühere Profi des VfB Stuttgart im TV-Sender Sky.
Darüber, was passiert war, gab es keinerlei Zweifel. Der Assistenztrainer der Gäste, der frühere kamerunische Nationalspieler Pierre Webo, hatte in der ersten Halbzeit die Rote Karte gesehen. Dabei soll es zu einer rassistischen Beleidigung durch den Vierten Offiziellen gekommen sein. Sebastian Colţescu wurde vorgeworfen, eine rassistische Formulierung für Schwarze benutzt zu haben, die im Deutschen inzwischen mit dem Begriff «N-Wort» umschrieben wird.
Dieser Ausdruck war im leeren Prinzenpark-Stadion während der TV-Übertragung deutlich zu hören. Zudem war zu hören, dass das Schiedsrichterteam aus Rumänien versuchte, sich damit zu verteidigen, dass der Vierte Offizielle das rumänische Wort für Schwarzer (negru) benutzt habe und nicht das «N-Wort».
Webo, Ba und andere waren anschließend zu hören, wie sie lautstark darauf hinwiesen, dass die Schiedsrichter bei einem weißen Spieler auch nicht «der Weiße» gesagt hätten, um diesen zu identifizieren. Basaksehir twitterte sofort nach dem Vorfall das Logo der UEFA-Kampagne «No to Racism - Respect».
In den sozialen Netzwerken bekundeten Tausende ihre Solidarität, auch Vereine aus der Bundesliga positionierten sich gegen Rassismus. Das «Fare»-Netzwerk gegen Diskriminierung wertete die Ereignisse als wichtiges Signal im Kampf gegen Rassismus. «Dass Basaksehir und PSG zusammen das Spielfeld verlassen haben, setzt ein Zeichen in Europa», sagte der Fare-Geschäftsführer Piara Powar der Nachrichtenagentur AP.
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(dpa)
Ich habe das Geld gespendet. An wen wohl? An meine Frau!
— Horst Wolter zum Bundesliga-Bestechungsskandal 1971.