Noch lange nach seinem Abschied aus Dortmund galt Ciro Immobile in Deutschland für viele als ein Gescheiterter, als jemand, der zurecht als Fehleinkauf abgestempelt und unter Jürgen Klopp schlicht aufgrund seiner mangelnden Qualität nicht funktioniert hatte. Doch seit sich Immobile 2016 Lazio Rom anschloss, tut er in beeindruckender Konstanz genau das, was er bereits die meiste Zeit vor seinem BVB-Engagement tat; Tore schießen. Im Gespräch mit dem „kicker“ sprach der Torjäger nun über seinen Gewinn des Goldenen Schuhs, Miroslav Klose, die Zeit im Ausland und die EM-Chancen mit der Squadra Azzurra.
36 Tore in 37 Ligaspielen brachten Immobile den Goldenen Schuh ein, da konnte in der letzten Saison nicht einmal Weltfußballer Robert Lewandowski mithalten. Als er Dortmund 2015 nach nur einem Jahr wieder verließ, hätten ihm das wohl nur die Wenigsten zugetraut. Zuvor war es ihm misslungen, den nach München abgewanderten Polen zu beerben. Anschließend sah sich der heute 31-Jährige herber Kritik ausgesetzt. Nun also der Triumph, sich gegen alle anderen Knipser Europas durchgesetzt zu haben. „Vielleicht könnte man es eine Art Revanche nennen. Allerdings gegen niemanden persönlich. Im Fußball erhält jeder seinen Moment, und in der letzten Saison habe ich meinen bekommen“, wollte Immobile nicht nachkarten.
Dass der Angreifer weiß, wo das Tor steht, war und ist kein Geheimnis. 2012 wurde Immobile im Dress von Delfino Pescara Torschützenkönig der Serie B, zwei Jahre später gelang ihm das gleiche Kunststück eine Etage Höher in Diensten des FC Turin. Nach dem Abschied aus Dortmund kehrte der Süditaliener im Anschluss an ein kurzes Intermezzo beim FC Sevilla dann für ein halbes Jahr nach Turin zurück. Die Monate im Ausland will Immobile heute trotz aller Widrigkeiten nicht missen. „Sie waren nicht so schlecht, wie sie oft gemacht wurden. Ich habe viel aus Deutschland und Spanien mitgenommen. Anderen Kulturen und Denkweisen zu erleben, ist persönlich und sportlich immer ein hilfreicher Lernprozess. Selbst wenn es sportlich mal nicht so gut lief.“
Beim genaueren Hinsehen stellt man jedoch fest, dass seine Zahlen in Dortmund und Sevilla zumindest ordentlich sind. Für die Schwarz-Gelben traf Immobile in 34 Spielen 10 Mal und gab drei Assists, in Spanien waren es in 15 Partien immerhin vier Treffer und eine Vorlage. Die Rückkehr nach Turin sollte nur von kurzer Dauer, seit 2016 spielt Immobile für Lazio. „Uns geht es rundum gut in Rom. Meine Familie liebt es hier, und mit dem Klub und Trainer Simone Inzaghi bauen wir seit Jahren ein Projekt auf, das und viele Erfolge einbrachte. Und wir wollen an weiteren arbeiten.“
2019 triumphierte man zum siebten Mal in der Coppa Italia, 2018 und 2020 gewannen die Laziali zudem den italienischen Superpokal. Das Aus in der Champions-League scheint nach dem 1:4 im Achtelfinal-Hinspiel gegen die Münchner zwar bereits besiegelt, doch nach zuvor 12 Jahren ohne Königsklasse kann man beim Ex-Klub von Miroslav Klose schon jetzt nicht unzufrieden sein. Den Co-Trainer von Hansi Flick in der ewigen Stadt zu beerben, „war unglaublich schwer, denn Miro war ein Idol hier. Die Situation erinnerte ein wenig an Dortmund, als ich auf Robert Lewandowski folgte. Solche Ausnahmespieler kann man unmöglich ersetzen, sondern nur versuchen, seinen eigenen erfolgreichen Weg zu finden.“
Dies ist dem 1,85 Meter großen Goalgetter mehr als gelungen, mit 144 Toren ist er bereits der zweitbeste Lazio-Stürmer aller Zeiten. Einzig Vereinslegende Silvio Piola liegt noch vor ihm – dessen Vorsprung ist allerdings auf einen einzigen Treffer geschmolzen. Ein Ende der Erfolgsserie ist bei Immobile derweil nicht in Sicht, 2018 und eben 2020 war er erneut der treffsicherste Spieler der Serie A. In der aktuellen Spielzeit dürfte dies jedoch schwer werden, derzeit liegt der Lazio-Kapitän mit 14 Treffern und neun Toren Rückstand auf den Führenden Cristiano Ronaldo auf Platz fünf der Torschützenliste.
In der Nationalmannschaft konnte er mit zehn Toren in 42 Spielen bislang noch nicht so glänzen wie auf Klubebene, denn „scheinbar habe ich so viele im Verein gemacht, dass ich mein Pulver bei den Azzurri verschossen hatte.“ Hinsichtlich der EM sind die wiedererstarkten Azzurri „sehr optimistisch“, ansonsten hat Immobile neben einem starken Turnier im Sommer vor allem ein großes Ziel: „Noch einen goldenen Schuh gewinnen.“
Es ist besser, zehn unorganisierte Spieler zu haben, als zehn organisierte Renner.
— Roberto Baggio