Das Wundern von Bern: Ein Meister am Tabellenende

von Carsten Germann20:45 Uhr | 16.09.2024
Foto: Imago

Die Schweizer Super League wundert sich derzeit über ihren Meister Young Boys Bern. Vor dem Start in die novellierte Champions League gegen den Debütanten Aston Villa am Dienstag liegt der Schweizer Meister auf dem letzten Tabellenplatz.

„Als wäre Bayern Letzter“, so hatte das Kicker-Sportmagazin das Wundern von Bern schon am 5. September 2024, also während der Länderspiel-Pause, kommentiert, „man könnte natürlich behaupten, es spreche für die Leistungsstärke der Super League, wenn sich sogar der Letzte der Schweizer Liga für die Champions League qualifiziert. Und womöglich hilft den Young Boys aus Bern ja eine Prise Fatalismus und Humor, um durch eine unerwartet komplizierte Phase zu gehen.“

Tja, möglich ist alles.

Halten wir uns Derwall ähm… derweil… an die Fakten zum Wundern von Bern.

6 Spiele ohne Sieg

  • YB Bern ist nach 6 Spieltagen als einziges Team in der Credit Suisse Super League noch sieglos.
  • Kein anderer der 12 Klubs in der Schweizer Eliteliga kassierte mehr Gegentore als die Berner (14).
  • 3 Punkte – Das ist für Young Boys Bern die schlechteste Bilanz in den letzten 5 Jahren.
  • Zum Vergleich: 2023 lag die Mannschaft aus dem Wankdorf-Quartier zum gleichen Zeitpunkt der Saison mit 11 Punkten auf Rang 2 – und qualifizierte sich als späterer Schweizer Meister für die Champions League.
  • Seit 2018 stand Bern nach 6 Spielen nie schlechter als Rang 4 (2021/2022).
  • In den letzten 7 Jahren wurden die Young Boys 6-mal Meister.

Dennoch scheint das Phänomen „Meister-Absturz ans Tabellenende“ bei den Eidgenossen nicht neu zu sein.

Der Überraschungs-Meister FC Zürich (2022) stand im letzten Jahr mit 2 Punkten auf dem letzten Platz – und rettete sich erst über die Relegation.

„Das war total ungenügend“

Nach der Qualifikation für die Champions League durch ein 3:2 im Berner Wankdorf-Stadion und einem 1:0-Erfolg bei Galatasaray Istanbul war die Fallhöhe für die Schweizer im Liga-Alltag enorm hoch.

Im Anschluss an das 1:1 gegen Lausanne Sports setzte es gellende Pfiffe. „Das war total ungenügend“, war es YB-Coach Patrick Rahmen (55) selbstkritisch, „uns fehlt ein wenig die Führung auf dem Platz.“

Vor allem in der Abwehr schafften es die Berner nicht, Klub-Legende Fabian Lustenberger (Karriere-Ende) und den zu Eintracht Frankfurt abgewanderten Aurele Amenda zu ersetzen.

Die auf den ersten Blick gute Tor-Bilanz von Ex-Fürth und Glasgow-Rangers-Profi Cedric Itten (27) täuscht.

4 seiner 5 Treffer markierte der Stürmer nämlich im Schweizer Cup, beim 10:0 gegen den sechstklassigen Klub Printse-Nendaz.

Das alles ist umso ungewöhnlicher, da man in der Schweiz den Verantwortlichen um Sport-Vorstand Christoph Spycher und Chef-Scout Stephane Chapuisat, 1997 CL-Sieger mit dem BVB, eine gute Arbeit bescheinigt und weil man in der neuen Champions League 40 Millionen Euro zusätzlich einnimmt.

„Es ist eine Bilanz, die vor ein paar Wochen in der Schweiz niemand für möglich gehalten hätte“, schrieb Fabian Ruch im Kicker. Tja, das Wundern von Bern…



Felix Magath und Clemens Tönnies sollten eine halbe Stunde in einen Raum gehen, das Licht ausmachen und sich gegenseitig aufs Maul hauen. Dann wäre das Thema durch.

— Udo Lattek