Die um Sekunden geschlagenen Eisernen blickten kurz ratlos und enttäuscht in den Madrider Abendhimmel, noch lange nach dem bitteren Last-Minute-K.-o. hallten aber die Unioner Fan-Gesänge durch das ehrwürdige Estadio Santiago Bernabéu.
Mittwoch, 20.09.2023
Mehr als 90 Minuten zermürbte der Fußball-Bundesligist die Königlichen von Real Madrid. Ein Abstauber-Tor aus drei Metern des ehemaligen Dortmund-Stars Jude Bellingham zerstörte in der vierten Minute der Nachspielzeit aber die Hoffnung auf eine Ergebnis-Sensation gleich beim Debüt in der europäischen Meisterklasse.
«Das ist natürlich ganz bitter. Es war eine sehr gute Leistung von der ganzen Mannschaft», sagte Berlins überragender Torwart Frederik Rönnow: «Natürlich sind wir traurig, aber da ist auch ein bisschen Stolz.»
Es war Bellingham, der Real vor über 80.000 Zuschauern mit seinem Tor gegen die leidenschaftlich verteidigende Auswahl von Trainer Urs Fischer jubeln ließ. «Wir waren geduldig. Wir wussten, dass wir bis zum Ende Chancen haben würden», sagte der ehemalige BVB-Star.
Zum Leidwesen der Unioner. Trotz der Niederlage zum Europapokal-Auftakt können die Berliner aber gestärkt die kommenden Aufgaben in der Bundesliga angehen, in der nach zwei Niederlagen ein Negativtrend abgewendet werden muss. Am Samstag kommt die TSG Hoffenheim ins Stadion an der Alten Försterei.
Historischer Union-Moment
«Es ist schon ein bisschen ein Wahnsinn einfach. Es ist im Moment noch nicht so richtig greifbar», sagte Union-Manager Oliver Ruhnert bei DAZN vor dem Anpfiff und blickte auf die legendäre elektronische Anzeige an der Stadion-Balustrade. Dort stand es blau auf weiß: Real Madrid C.F. und 1. FC Union Berlin. Das 0:0 zwischen den Vereinsnamen hatte am Ende keinen Bestand mehr.
Diesen historischen Moment für die Club-Geschichte richtig anzugehen, war eine schwere Aufgabe für Fischer, er vertraut dabei auch auf den erfahrenen italienischen Europameister Leonardo Bonucci als Abwehrchef. Das einmalige Erlebnis sollten alle intensiv aufsaugen können, aber nicht zulasten der winzigen Hoffnung auf eine handfeste Sensation. «Man sollte nicht zuviel Staunen. Heute musst du dir einiges Zutrauen», forderte der Trainer bei DAZN.
Die Voraussetzungen erinnerten die Eisernen auch an die Bundesliga-Anfänge vor gerade einmal gut vier Jahren, als auf nationaler Ebene niemandem den Underdog-Club etwas zutraute. «Im Moment ist einfach erstmal wichtig zu sehen, wie wir uns auch auf dieser Bühne bewegen», sagte Ruhnert.
Union mit starker Defensive
Sie bewegten sich gut, in ihrer ultradefensiven Grundordnung. Bei zwei frühen Kopfbällen von Joselu (3./6.) half einmal Torwart Frederik Rönnow und einmal das Zentimeter-Glück. Doch nur Verstecken war eben nicht angesagt. Ein Schuss von Kevin Behrens (3.) wurde geblockt. Noch mehr wäre möglich gewesen, als Aissa Laidouni wenig später mutig in den Real-Strafraum zog. Die Aktion verpuffte, da etwas zu hastig vorgetragen.
Union verlagerte sich auf sein Kerngeschäft, das Verteidigen. Mit Erfolg. Mehr als ein paar unpräzise Fernschüsse von David Alaba (23.) und Aurélien Tchouameni (27.) und Nacho (34.) kamen in der ersten Halbzeit nicht in Richtung Rönnow-Tor. Real-Coach Carlo Ancelotti rudere am Spielfeldrand mit den Armen, als wolle er Anschub-Hilfe leisten.
Akustisch war das Stadion längst in Union-Hand. Die mehreren tausend Berliner Fans feierten ihre Fiesta. An der Puerta del Sol schallten an diesem sonnigen Spätsommer-Tag schon am Nachmittag die Sprechchöre. Rund 300 Anhänger kamen aber nicht ins Stadion, da sie ihre Fan-Utensilien wie Banner nicht mitnehmen durften.
Ancelotti dürfte klare Worte gefunden haben. Real kam wütend aus der Kabine und jetzt entfaltete das Bernabéu jene Wucht, die schon andere Mannschaften in die Knie zwang. Union hatte Glück bei Pfostentreffern von Rodrygo (51.) und Joselu (63.). Rönnow stand immer mehr im Blickpunkt und reagierte mehrfach hervorragend. Ancelotti brachte nun auch Toni Kroos ins Spiel. Den eisernen Riegel knackte der auch noch zum Spieler der Partie gekürte ehemalige BVB-Profi. «Bellingham bewirkt das Wunder und bringt Real den Sieg», schrieb Spaniens «Sport».(dpa)
Wenn man gewinnt, ist man sexy. Und wir möchten noch länger sexy sein.
— Mainz' Sportvorstand Rouven Schröder am 8. Spieltag nach dem 3:2 gegen den Hamburger SV)