Traumatische Erinnerungen an den perfiden Anschlag sind selten geworden. Wenn sich die Dortmunder Fußball-Profis - wie damals - im Teambus aus dem L'Árrivée-Hotel auf den Weg zum heimischen Stadion machen, findet die Hecke an der Ausfahrt der mondänen Herberge kaum noch Beachtung.
Dass dort vor fünf Jahren bei der Abfahrt zum Viertelfinale in der Champions League gegen Monaco drei Sprengsätze detonierten, bereitet den einstigen Leidtragenden nach Einschätzung von Vereinsboss Hans-Joachim Watzke mittlerweile keine schlaflosen Nächte mehr: «Die Spieler, die betroffen waren, haben es verarbeitet.»
Die quälenden Gedanken an den 11. April 2017 abzuschütteln, fiel den meisten Profis jedoch nicht leicht. Noch Monate nach dem Attentat sprachen viele Spieler beim Prozess gegen den Attentäter freimütig von Beklemmungen und Schlaflosigkeit. Vor allem der beim Anschlag am Arm verletzte und mittlerweile nach Spanien gewechselte Marc Bartra gewährte einen tiefen Blick in sein Innenleben: «Ich hatte Todesangst. Ich fürchtete, meine Familie nie wiederzusehen.» Ähnlich erschüttert äußerte sich Torhüter Roman Weidenfeller: «Der Vorfall hat mein Leben verändert.»
Nur mit viel Glück entgingen die meisten Bus-Insassen wie die deutschen Nationalspieler Matthias Ginter oder Julian Weigl schweren Verletzungen, als fingerlange Metallbolzen nach der Detonation von drei Bomben einige Scheiben zerschlugen und sich zum Teil in Kopfstützen der Sitze bohrten.
Indizien wie ein am Tatort gefundenes Bekennerschreiben deuteten zunächst auf einen Anschlag von Islamisten hin. Rechte oder militante Fußballfans standen wenig später ebenfalls im Fokus der Ermittler. Doch das eigentliche Motiv des Täters sorgt bei Watzke auch heute noch für Fassungslosigkeit. «Dieser Anschlag hatte ja kein politisches Motiv. Das war einfach jemand, der aus persönlicher Habgier etwas so Unglaubliches gemacht hat», sagte der BVB-Geschäftsführer der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Dass der Attentäter viel Geld auf einen durch den Anschlag verursachten Kursverlust der BVB-Aktie gesetzt hatte, macht die Tat zu einem beispiellosen Verbrechen in der deutschen Kriminalgeschichte. Am 27. November 2018 wurde der damals 29 Jahre alte Attentäter des 28-fachen Mordversuches für schuldig befunden und zu 14 Jahren Haft verurteilt.
Auch innerhalb des Vereins wirkte das Geschehen lange nach. So nahm das Verhältnis zwischen Trainer und Vorstand irreparablen Schaden. Die Frage, ob das Spiel gegen Monaco bereits am nächsten Tag hätte nachgeholt werden dürfen, führte zu einem öffentlich ausgetragenen Disput zwischen Watzke und Thomas Tuchel. Selbst der Pokalsieg am 27. Mai 2017 in Berlin gegen Frankfurt konnte die Wogen nicht glätten. Nur drei Tage später verkündeten beide Seiten die Trennung. «Es gab dadurch einen großen Dissens zwischen mir und Aki Watzke», bekannte der Fußball-Lehrer wenig später, «der größte Dissens war wahrscheinlich, dass ich im Bus gesessen habe und er nicht.»
Dass die Mannschaft die in aller Eile nachgeholte Viertelfinal-Partie gegen Monaco mit 2:3 verlor und eine Woche später nach dem 1:3 im Fürstentum aus dem Wettbewerb ausschied, verwunderte angesichts der emotionalen Ausnahmesituation niemanden.
Auch viele Monate später bezeichnete Watzke die von der UEFA forcierte und von weiten Teilen der Mannschaft mitgetragene Entscheidung als folgerichtig: «Wir hatten an diesem Abend und am Tag danach noch alle das Gefühl, dass es sich um einen Terroranschlag handelte. Es ging dann einfach um die Frage, willst du als Gesellschaft ein Zeichen setzen unter der Berücksichtigung, dass du von den Spielern fast Unmenschliches verlangst, oder nicht. Das war die eigentliche Botschaft.»
Für den Vereinsboss ist der Anschlag die wohl bitterste und emotionalste Erfahrung in seiner seit Februar 2005 dauernden Amtszeit. Der Blick zurück bereitet ihm noch immer Unbehagen: «Wir haben natürlich die große Hoffnung, dass so etwas nie wieder passiert.»
(dpa)
Das ärgert mich immer wieder. Irgendeine Zeitung, mit der ich nie sprach, hat mich zitiert: Der FC Bayern sei ein Krisenklub.
— Bruno Labbadia