Die anhaltende Corona-Krise macht den aktuellen Verlauf der Fußball-Bundesliga augenscheinlich zu einem Novum. Nie dagewesene leere Ränge in den Stadien, Reporter und Funktionäre, die nur mit corona-typischem Atemschutz das Stadioninnere betreten und der zum Teil bizarr wirkende Versuch der Spieler beim Torjubel den geforderten Mindestabstand einzuhalten, prägen derzeit das mediale Bild der Bundesliga. Konzentriert man sich jedoch auf die sportlichen und personalpolitischen Aspekte, stellt man schnell fest, dass das Fußballgeschäft still und heimlich seinen gewohnten Gang geht – Parallelen zu vorausgegangenen Spielzeiten sind dabei nur allzu offensichtlich.
Der FC Bayern erneut das Maß aller Dinge
Schaut man auf die aktuelle Tabelle der Fußball-Bundesliga, so bietet sich einem ein altbekanntes Bild. An der Spitze thront der FC Bayern München, der nicht zuletzt nach den jüngst errungenen Siegen gegen den direkten Konkurrenten Borussia Dortmund und die abstiegsbedrohten Fortunen aus Düsseldorf seine erneuten Ansprüche auf die Meisterschaft ansehnlich untermauert hat. Wieder einmal schaffen es die Münchner in dieser Saison, die notwendige spielerische Kontinuität an den Tag zu legen, die dem engsten Verfolger aus Dortmund schon in der letzten Saison fehlte und wohl auch diese Saison fehlen wird.
Die strukturierte und ergebnisorientierte Spielweise, die der Trainerstab um Hansi Flick im System der Münchner etabliert hat, ist dabei erneut maßgebend. Ein homogenes Mannschaftsgefüge und Schlüsselspieler wie Robert Lewandowski und der zuletzt wiedererstarkte Thomas Müller werden nicht zuletzt durch ihre Beständigkeit wohl auch diese Saison wieder dazu beitragen, dass die Spieler und Verantwortlichen des FC Bayern am Ende der Spielzeit die Meisterschale auf dem Rathausbalkon über dem Marienplatz in die Höhe strecken können – sollte die Corona-Situation dieses zulassen.
Als Trainer zum siegen verdammt
Ähnlich simultan verläuft im Vergleich zur sportlichen Situation auch die längst zur Normalität gewordene Trainerdebatte bei den Top-Teams. Trifft es diesmal nicht den Trainer des FC Bayern München, Hansi Flick, der seinen praktisch von Anfang an in der Kritik stehenden Vorgänger Nico Kovač zwischenzeitlich mehr als adäquat ersetzt hat, so ist es diesmal Lucien Favre, Trainer von Borussia Dortmund, dem aufgrund ausbleibender Erfolge möglicherweise bald die Rückendeckung der Verantwortlichen fehlen wird. Ähnlich wie einst Kovač beim FC Bayern ist auch Favre bei Borussia Dortmund zum Siegen verdammt.
Dass für Vereine, die den Selbstanspruch pflegen, ein Top-Team zu sein, mitunter nur Erfolge zählen, ist im längst kommerzialisierten Fußballgeschäft kein Geheimnis mehr. Heutzutage ist es fast schon Normalität, dass die Erwartungshaltungen der Verantwortlichen, sowie der Anspruch der zeitlichen Umsetzung stetig ansteigt – ein Anspruch dem Lucien Favre nach aktuellem Stand nicht gerecht werden dürfte. Bereits diskutierte Themen wie die möglicherweise problemverursachende Sprachbarriere, die im längst globalisierten Fußballgeschäft kaum eine Rechtfertigung seien dürfte, oder die sportliche Überlegenheit des direkten Konkurrenten aus München, dürften von den Verantwortlichen wohl kaum als Argumente für einen Verbleib Favres herangezogen werden.
Der Kampf um Europa und der Verbleib im Oberhaus
Mit einer gefühlt ähnlichen Lethargie verläuft derzeit das Rennen um die Plätze der internationalen Wettbewerbe. Konnten sich in der Spielzeit 2018/2019 RB Leipzig und Bayer Leverkusen hinter dem FC Bayern und Borussia Dortmund auf den zwei verbleibenden Champions-League-Plätzen festsetzen, so haben die beiden Vereine auch diese Saison gute Chancen in der kommenden Spielzeit in der Königsklasse oder zumindest in der Europa-League mitzuwirken. Ähnlich wie auch in der letzten Saison verdeutlicht auch die Borussia aus Mönchengladbach, derzeit auf Tabellenplatz 4 angesiedelt, ihre Ansprüche auf das internationale Geschäft.
Ein zumindest leicht ansteigender Spannungsbogen zeichnet sich aktuell im Tabellenkeller ab. Bis zum Tabellenplatz 13, der derzeit vom FC Augsburg belegt wird, dürfte wohl noch gezittert werden. Wie in der vergangenen Spielzeit gibt es auch dieses Jahr einen abgeschlagenen Letzten. Derzeit tut es der SC Paderborn dem Vorjahres-Letzten, dem 1. FC Nürnberg, gleich und hat wohl nur noch theoretische Chancen auf den Klassenerhalt.
Etwas nervenaufreibender zeichnete sich jüngst die Situation rund um den Tabellen-Vorletzten, den SV Werder Bremen, ab. Den Bremern scheint die Corona-Zwangspause gut getan zu haben. Nach dem Re-Start der Bundesliga am 18.Mai holten die längst tot-geglaubten Bremer aus 5 Spielen immerhin 7 Punkte und sind derzeit nur noch 2 Punkte vom Relegationsplatz 16 entfernt, der derzeit von Fortuna Düsseldorf besetzt wird. Konträr zur Vorgehensweise anderer Clubs, die Trainerfragen oft geradlinig durch Trainerwechsel beantworten, geht der SV Werder Bremen einen anderen Weg und hielt auch in der sportlich schwärzesten Zeit zum Trainer Florian Kohfeldt. Sollte der SV Werder tatsächlich in der 1. Bundesliga verbleiben, wäre dies zum einen ein starkes und gegensätzliches Signal zum mittlerweile alltäglichen und doch fragwürdigen Umgang mit Trainern im Fußballgeschäft, und zum anderen ein Indiz dafür, dass jede Bundesligasaison trotz einer zuletzt dagewesenen Reproduzierbarkeit doch ihre eigene Geschichte schreibt.
Stepanovic war mein bester Trainer. Wann immer ich den Ball hatte und über die rechte Seite kam, rief er: Geh, mach ihn nass!
— Jay-Jay Okocha über seinen Entdecker, Dragoslav ,,Stepi" Stepanovic.