DFB-Team

Müller hat Lust: Mit Salami-Taktik zum EM-Comeback

15.06.2021

Frankreich
1:0
Deutschland
Joachim Löw macht die Tür für ein EM-Comeback wie mit den Zehenspitzen immer noch ein bisschen weiter auf. Und Thomas Müller lässt längst keine Zweifel mehr aufkommen, dass er schon bald mit Schwung durch diese hindurchmarschieren will.

«Ich habe Lust, im nächsten Sommer nach Titeln zu jagen. Was dann am Ende passiert, das werden wir sehen», sagte der bislang 100-malige Nationalspieler nach dem 4:2 des FC Bayern München gegen Borussia Dortmund bei Sky über eine von niemandem mehr ausgeschlossene Rückkehr ins DFB-Trikot.

Genau zwei Jahre nach der damals sensationellen Ausbootung von Müller und seinen Weltmeister-Kollegen Mats Hummels und Jérôme Boateng verfolgt die Dauer-Debatte den Bundestrainer unverändert. Mit seinen jüngsten Interview-Aussagen hat Löw ihr nun selbst nochmal richtig Fahrt gegeben. Auch als Tribünengast beim Gipfeltreffen weichte er seine Wortwahl im Sinne Müllers wieder ein bisschen auf.
«Einen Umbruch sollte man nicht völlig abbrechen», meint Löw weiterhin. Dass man ihn aber unterbrechen kann, ist mittlerweile seine offizielle Sprechweise. Die EM sei «ein eigener Wettbewerb, und selbstverständlich ist es unsere Aufgabe, die besten Spieler, die es gibt, und die beste Mannschaft mitzunehmen, um den größtmöglichen Erfolg zu garantieren».

Substanziell unterscheidet sich das nicht von Löws früheren Aussagen. Denn eine mögliche Notfall-Reaktivierung hatte der 61-Jährige nie komplett ausgeschlossen, auch wenn das manche in der allgemeinen Aufgeregtheit des Themas nicht bemerkten. Nur der Konjunktiv verabschiedet sich eben langsam aus Löws Vokabular. Es wirkt beinahe, als solle mit der verbalen Salami-Taktik die Selbstverständlichkeit einer Rückkehr irgendwann als logisch erscheinen.
Entsprechend mutiger wird Müller, der offenbar der Auserkorene aus dem Oldie-Trio ist. «Ob beim Champions-League-Finale - das ganz klar unser Ziel ist - für mich terminlich Schluss ist oder nicht, das schauen wir dann. Aber die Lust ist groß, bei den Jungs dieser Generation auch mitzumachen», sagte der 31-Jährige im TV-Interview und witzelte wie zum Beweis mit dem neben ihm stehenden Leon Goretzka als Vertreter der viel beschworenen 95er-Generation, die Müller, Hummels und Boateng fußballerisch obsolet machen sollte.

Obwohl die Not in der Abwehr eigentlich größer ist, hat Motivator und Spaßvogel Müller als offensive Kraft die deutlich besseren Karten als Hummels und Boateng, der nach einer Kapselzerrung im linken Knie gegen den BVB erstmal pausieren muss. Löw hat schon postuliert, dass er für die anspruchsvolle Turnieraufgabe den Schlüssel im Angriff sieht. Die Abwehr will er um den viel kritisierten Niklas Süle (Jahrgang 95) mit gezielter Vorbereitung schon turniertauglich machen.

In der Causa Müller bleibt die von allen unbeantwortete Frage, wer denn dann für den WM-Veteranen von Rio 2014 weichen soll? Die Flügelflitzer Serge Gnabry und Leroy Sané? Wohl kaum. Oder ist Müller der Mann für die Zentrale und damit Konkurrent für den derzeit überragenden Ilkay Gündogan oder Goretzka? Mit dem bei Chelsea abgetauchten Kai Havertz plant Löw jedenfalls nur noch als Backup für besondere Momente. Für Müller müsste er hingegen einen Stammplatz finden, wenn es am 15. Juni gegen Weltmeister Frankreich in die EM geht. Nur als Gute-Laune-Onkel kann dieser nicht zurückkommen, das hat der Bundestrainer schon verdeutlicht.

Ins Detail möchte Müller, jetzt wo die Dinge immer besser für ihn stehen, offenbar aber noch gar nicht gehen. Wenn es nach ihm geht, kann bis zur Nominierung im Mai ein bisschen Ruhe in der Debatte einkehren. Das wäre ganz gewiss auch in Löws Sinne. «Jetzt haben wir es von beiden Seiten angesprochen, dass alles möglich ist. Dementsprechend können wir da auch einen Haken dahinter machen», sagte Müller am späten Samstagabend im ZDF.

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(dpa)