Mixed Zone

Eklat vor 25 Jahren: «Effe» zeigt Stinkefinger bei WM

Das würde es heute im Zeitalter von Dutzenden Stadion-Kameras und Tausenden Smartphones nicht mehr geben: Vom berühmtesten Stinkefinger in Deutschlands Sportgeschichte gibt es nicht ein einziges Foto oder Video.

Vor genau 25 Jahren ließ sich Stefan Effenberg in Dallas zu jener obszönen Geste mit ausgestrecktem Mittelfinger gegen deutsche Fans hinreißen, die zu seinem Rauswurf aus der Fußball-Nationalmannschaft führte - mitten in der WM. «Mit 10.000 Dollar hätten wir uns lächerlich gemacht bei den Einkommen der Spieler», begründete der damalige DFB-Präsident Egidius Braun die radikale Strafe gegen Effenberg.

27. Juni 1994, drittes WM-Gruppenspiel im Stadion «Cotton Bowl» bei extremer Hitze: Titelverteidiger Deutschland quälte sich gegen Südkorea trotz eines 3:0-Vorsprungs. Rund 1000 deutsche Anhänger machten in Effenberg den Sündenbock aus. Er habe sich leider von den Fans, die immer wieder «Effenberg raus» gerufen hätten, provozieren lassen, sagte später der Betroffene: «Das muss man schon verstehen. Du spielst bei 50 Grad. Du hast den Adler auf der Brust. Du spielst ums Achtelfinale in Amerika. Und da passiert so etwas.»
Nur wenige Zuschauer sahen im Stadion Effenbergs Stinkefinger, kein Fotograf und kein Kameramann hielt die Szene fest. Ein existierendes Foto des lachenden Effenberg mit ausgestrecktem Mittelfinger wurde zu einer anderen Zeit aufgenommen und dient heute quasi als Motiv-Bild.

In der improvisierten Mixed-Zone mit lärmenden Klima-Aggregaten, die bei den Temperaturen auch keine Chancen hatten, drehten sich die Gespräche zwischen Spielern und Journalisten damals nur um die großen Schwierigkeiten nach dem 2:3-Anschluss der aufmüpfigen Südkoreaner.
Verbandsboss Braun, der nicht mit zurück ins WM-Stammquartier in Oak Brook bei Chicago geflogen war, aber ließ sich von den Fans Effenbergs Ausraster schildern. Noch in der Nacht fiel nach einem Telefonat mit Bundestrainer Berti Vogts die Entscheidung gegen Effenberg. «Ich schäme mich in tiefster Seele, dass ein herausragender Vertreter des DFB in übelster Weise das verletzt hat, was wir aufgebaut haben», sagte der heute 94-Jährige Braun damals: «Lieber keine Nationalmannschaft, als eine Nationalmannschaft ohne Vorbildfunktion.»

Die Mitspieler um die Weltmeister Rudi Völler, Lothar Matthäus, Bodo Illgner und Jürgen Klinsmann hatten noch versucht, die Extremstrafe zu verhindern. «Viele Spieler, zum Beispiel Jürgen Klinsmann, finden es unwahrscheinlich lächerlich», schilderte Effenberg die Reaktionen von Kollegen. Es nutzte nichts. Der DFB-Boss drohte sogar damit, das gesamte Team aus dem WM-Turnier zurückzuziehen. «Sie wollten mich umstimmen. Doch mit mir war nicht zu reden», bestätigte Braun selbst.

Und so verkündete Pressesprecher Wolfgang Niersbach, später Generalsekretär und Präsident des Verbandes, am nächsten Morgen vor wenigen Medienvertretern auf dem Trainingsplatz: «Stefan Effenberg gehört nicht mehr zur Mannschaft.» Der 25 Jahre alte Mittelfeldspieler vom AC Florenz sollte fünf Tage vor dem Achtelfinale die Heimreise antreten. Aber Effenberg blieb zunächst.

Der Suspendierte zog mit Familie in das «Residence Inn» unweit des Teamhotels in Oak Brook, schilderte dort am Pool ausgelesenen deutschen Medien seine Sicht und organisierte noch eine Grillparty mit seinen ehemaligen Mannschaftskollegen Bodo Illgner und Thomas Häßler. «Es war eine Überreaktion, die mir jetzt im Nachhinein leid tut», bemerkte Effenberg dazu später. «Nur man sollte beide Seiten sehen. Nicht nur die des bösen Stefan Effenberg, sondern auch, wie die Zuschauer sich verhalten haben.»

Nach 33 Länderspielen war zunächst Schluss für den Nationalspieler Effenberg, der immer polarisiert hat. Als Bayern-Akteur war er 1991 ins DFB-Vorzeigeteam gekommen. Nach dem Ende der Ära Vogts 1998 kamen nur noch zwei Partien für Deutschland hinzu. Und auch für das stark besetzte Nationalteam endete die Mission Titelverteidigung 1994 in den USA mit einer Blamage: Ein 1:2 im Viertelfinale gegen Bulgarien brachte das Aus.

(dpa)