DFB-Team

Unersetzlich oder Titanic-Signal: Die Debatte um Toni Kroos

Bei seiner Dienstreise zum Champions-League-Achtelfinal-Hinspiel bei RB Leipzig kam Toni Kroos unweigerlich wieder einer Debatte näher, die Fußball-Deutschland auf dem Weg zur Heim-EM seit Wochen umtreibt. Soll der Mittelfeld-Lenker von Real Madrid in die Nationalmannschaft zurückkehren - und will er das überhaupt?

Als «interessanten Gedanken» hatte Bundestrainer Julian Nagelsmann ein Comeback des 34-Jährigen im Dezember im ZDF-«Sportstudio» bezeichnet, und damit die Tür für die Spekulationen um Kroos weit aufgemacht. Er selbst lässt sich alle Optionen offen - beim DFB und bei Real. «Ich denke noch darüber nach, ich habe noch keine Entscheidung getroffen», sagte Kroos und wehrte die Nachfragen zum DFB-Team gekonnt und vielsagend ab: «Es gibt die Möglichkeit.»

Nach 106 Länderspielen hatte sich Kroos 2021 in den DFB-Ruhestand verabschiedet. Doch auch im Herbst seiner Karriere gehört der gebürtige Greifswalder bei Real zu den Säulen der Mannschaft. «Toni ist unersetzlich, auch wenn er nicht spielt», schwärmte jüngst Trainer Carlo Ancelotti über den Mecklenburger. Vor dem Leipzig-Spiel meinte der Star-Coach: «Er ist immer wieder der Beste. Die Passgenauigkeit hatte er auch schon vor zehn Jahren beim FC Bayern gehabt. Was ihn jetzt abhebt ist, dass er in einer Mannschaft spielt, die mit enormer Energie spielt, da kommen seine Stärken noch besser zur Geltung.»

Das wissen sie auch beim Deutschen Fußball-Bund. Kroos sei «immer noch ein Weltklassespieler», der immer noch zeige, dass er «zu Großem, zu Mächtigem fähig ist», ließ DFB-Sportdirektor Rudi Völler gerade erst wissen. Und Kroos, so wollte es Ende des Vorjahres zumindest die «Bild» erfahren haben, könnte sich eine Rückkehr in die Nationalelf durchaus vorstellen.

Vielleicht schon für die Länderspiele im März in Frankreich und gegen die Niederlande? «Lasst euch überraschen. Wir haben noch ein bisschen Zeit», sagte Coach Nagelsmann zuletzt bei der Auslosung der Nations League in Paris.

Real-Trainer Ancelotti: Kroos ist einzigartig

Mittelfeldstratege Kroos muss eigentlich niemandem mehr etwas beweisen. Als einziger deutscher Spieler hat er fünfmal die Champions League gewonnen, viermal mit Real und einmal mit dem FC Bayern München. Der Weltmeister von 2014 gilt bei den Königlichen als Ikone.

Seine Präzision, seine Ruhe, seine Kontrolle, seine Ausstrahlung empfindet Trainer-Legende Ancelotti als «einzigartig». Gerade auch für die Jungstars um Jude Bellingham, Rodrygo und Vinícius Júnior ist Kroos ein Ruhepol, ein wichtiger Orientierungspunkt. Er selbst wundert sich sogar: «Mein Kopf überrascht mich mehr als mein Körper.»

Und doch vermittelt Kroos bisweilen den Eindruck, er fühle sich in Deutschland nicht genug wertgeschätzt und als «Querpass-Toni» missverstanden. Eine erfolgreiche EM-Mission als Helfer in der sportlichen Krise könnte das ändern.

Hoeneß: Kroos-Rückkehr wäre «Titanic-Signal»

Doch die Geister scheiden sich an dieser Frage. «Das wäre ein ziemliches Titanic-Signal», sagte Bayern-Patron Uli Hoeneß zu einer möglichen Kroos-Rückkehr. Der Routinier sei zwar «ein überragender Fußballer, aber ich glaube nicht, dass er den deutschen Fußball retten kann», meinte Hoeneß weiter. Joti Chatzialexiou, der frühere DFB-Leiter Nationalmannschaften, sprach bei «t-online» gar von einem «Armutszeugnis für den deutschen Fußball».

Im Kreis der Mannschaft können sich einige Nationalspieler dagegen ein Comeback von Kroos vorstellen. «Ich freue mich immer, mit Toni zu spielen. Wenn er Lust und Zeit hat, sehr gerne», sagte Bayern-Profi Joshua Kimmich. Real-Kollege Antonio Rüdiger ist wohl der stärkste Befürworter einer Kroos-Nominierung. «Und wenn ich so offen und ehrlich sprechen darf: Ich glaube, viele denken genauso wie ich», sagte der 30-Jährige vor dem Gastspiel in Leipzig dem «Kicker».

Bei aller Bewunderung ist Ex-Teamchef Völler aber nicht völlig überzeugt von der Notwendigkeit einer Kroos-Rückkehr. Im Mittelfeld «drückt der Schuh nicht ganz so extrem». Da habe die DFB-Auswahl viele gute Spieler.

Sehr skeptisch ist auch Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus. «Wo soll er spielen? Holt man Kroos zurück, schwächt man automatisch Ilkay Gündogan, auch als Kapitän», warnte der Weltmeister-Kapitän von 1990. Weder mit Gündogan noch mit Kimmich werde Kroos in der Mittelfeld-Zentrale harmonieren. «Ein klares Nein» ist daher für Matthäus die Antwort auf die Kroos-Frage. Das letzte Wort aber haben Julian Nagelsmann und Toni Kroos selbst.

(dpa)