DFB-Pokal

Cup der Außenseiter - Duell der Andersdenkenden in Berlin

01.03.2022

Union Berlin
2:1
FC St. Pauli
Kein FC Bayern, kein BVB: Das Fußball-Establishment aus München und Dortmund darf im DFB-Pokal nur noch zuschauen. Das Viertelfinale wird zum Kräftemessen der hoffnungsvollen Außenseiter mit der Partie zwischen den Kultclubs 1. FC Union und FC St. Pauli als passendem Auftakt.

Das Duell der Andersdenkenden aus Berlin und Hamburg am Dienstag (20.45 Uhr/ARD/Sky) im Stadion an der Alten Försterei steht symbolhaft für eine verrückte Pokalrunde. Mit St. Pauli bilden Hannover 96 und die direkten Kontrahenten vom Hamburger SV und Karlsruher SC ein Zweitliga-Quartett unter den letzten Acht.

Das Fehlen der Top-Teams macht die Aussichten verheißungsvoll: nicht nur auf den großen Gold-Cup mit dem markanten grünen Kristall im Finale am 21. Mai im Berliner Olympiastadion, sondern auch auf das Ticket für die Europa League. «Natürlich ist der diesjährige Pokal auch für uns eine ganz besondere Möglichkeit», sagte Freiburgs Sportdirektor Jochen Saier. «Dass wir in diesem Wettbewerb noch dabei sind, ist für uns außergewöhnlich», merkte Trainer Christian Streich an, der am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD/Sky) die Breisgauer ins einzige reine Bundesliga-Duell beim VfL Bochum führt.
Erstmals seit elf Jahren sind weder Rekordsieger Bayern München noch Titelverteidiger Borussia Dortmund nach ihren Pleiten gegen Borussia Mönchengladbach (0:5) und St. Pauli (1:2) im Viertelfinale noch dabei. Der letzte vertretene Sieger ist Zweitligist Hannover 96 (1992), der am Mittwoch (18.30/ARD/Sky) den nun großen Favoriten RB Leipzig fordert.

Die Sachsen sind der letzte Finalist (2019/2021) im Wettbewerb. In diesem Jahrtausend war außerdem nur Union Berlin einmal im Endspiel - vor 21 Jahren verloren die Eisernen gegen den FC Schalke 04 (0:2). Die Pokalerinnerungen werden im Osten der Hauptstadt gerne hoch gehalten. So wie die Prinzipien jenseits des Fußball-Mainstreams. Das verbindet die Stadtteil-Clubs Union und St. Pauli.
Ihre Präsidenten Dirk Zingler (Union) und Oke Göttlich (St. Pauli) reden auch in heiklen Fragen dies- und jenseits des Fußballs konsequent Klartext. Doch die Grundhaltungen der Clubs sind auch verschieden. Bei Union speist sich das sinngebende Selbstverständnis immer noch aus der Oppositionshaltung zu DDR-Zeiten und hat sich mittlerweile zu einer klaren Ost-Identität entwickelt. «Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen?», grölt Rockröhre Nina Hagen in der Vereinshymne vor jedem Anpfiff vom Band.

St. Pauli ist längst zum Label des links und alternativ verorteten Kiez-Clubs geworden. Mittlerweile ist der Verein aber auch in der ökonomischen Fußball-Moderne angekommen. Die Verantwortlichen haben es - wie ihre Kollegen bei Union - verstanden, das Image des etwas anderen Clubs im Marketing zu nutzen. Den Trend im Sponsoring zu mehr Nachhaltigkeit setzt der FC St. Pauli konsequent um. Ökologie, Anti-Rassismus, Inklusion, Diversität, soziale Gerechtigkeit, LGBTQ oder Frauengleichstellung gehören schon lange zum Diskurs im Verein.

Die sportlichen Rollen sind klar verteilt. Union ist als mittlerweile etablierter Bundesligist, der auch den Abgang von Max Kruse langsam überwunden hat, der Favorit. St. Pauli aber lauert wie als Zweitliga-Dritter auf den Aufstieg auch auf die erste Halbfinalteilnahme im Pokal seit 2006. Gut zwei Millionen Euro Prämie bringt die, zusätzlich zu der schon verdienten Pokal-Million.

«Es ist für uns keine Selbstverständlichkeit, im Viertelfinale zu stehen», sagte Pauli-Trainer Timo Schultz am Montag und sprach auch von einer «reellen Chance» auf den nächsten Coup. «Spätestens morgen beim Einlaufen und wenn die Hymne gespielt wird, wird das Kribbeln da sein. Das ist für uns eine Riesenchance», sagte Schultz.

(dpa)