Borussia Dortmund vor CL-Finale: Der Glaube an „etwas Großartiges“
von FussballeckHeute Abend trifft Borussia Dortmund im Champions-League-Finale als Außenseiter auf Rekordgewinner Real Madrid. Allerdings geht der BVB in dieser Saison nicht zum ersten Mal mit der „Underdog“-Rolle in ein Königsklassenduell. Dementsprechend glaubt der Klub an ein schwarz-gelbes Wunder.
Als Underdog bis ins CL-Finale
Die erste kleine Hürde wurde gemeistert: Am Freitagmittag traf der BVB-Tross in London ein, wo in wenigen Stunden im Wembley-Stadion um den prestigeträchtigen Henkelpott gespielt wird. Von Ehrfurcht vor dem dritten Champions-League-Finale der Vereinsgeschichte war schon vor dem Abflug keine Spur. Mats Hummels grinste fröhlich. Trainer Edin Terzić machte lächelnd Selfies mit rund 200 Fans, die die Profis am Dortmunder Flughafen mit Applaus und aufmunternden Worten verabschiedeten.
Diese kann der BVB gut gebrauchen. Der Bundesliga-Fünfte trifft auf den „Champion der Champions“, wie Terzić Real Madrid beschrieb. Die Madrilenen seien nach einer langen Reise ins Finale „der absolute Endgegner.“ Nach der Gruppenauslosung traute kaum ein Experte dem BVB ein Weiterkommen in die K.o.-Phase zu. Nach einem wackligen Start konnte der Champions-League-Sieger von 1997 seine Kritiker verstummen. In der „Todesgruppe F“ mit Newcastle United, PSG und dem AC Mailand setzten sich die Dortmunder als Gruppenerster durch. Danach konnte der Bundesligist die PSV Eindhoven und die Schwergewichte Atlético Madrid und Paris Saint-Germain bezwingen – wenn auch mit ein wenig „schwarzer Magie“.
BVB glaubt an das Wunder
Im Finale wartet das Champions-League-Schwergewicht schlechthin. Dennoch glauben BVB-Trainer Edin Terzić und Sportdirektor Sebastian Kehl an eine Überraschung. „Wir haben den festen Glauben, etwas Großartiges erreichen zu können“, so Terzić, der Dortmunds letztes Champions-League-Finale 2013 als Fan auf der Tribüne miterlebte. Bei der knappen 1:2-Niederlage gegen den FC Bayern München stand Sportdirektor Kehl noch als Kapitän auf dem Platz. Ebenfalls in Wembley.
Die „große Chance“ im Endspiel gegen Real Madrid sei aber „mit nichts zu vergleichen. Wir haben eine fantastische Champions-League-Saison gespielt und große Namen ausgeschaltet und stehen jetzt verdientermaßen im Finale.“ Der BVB wolle „Großes leisten“ und sei „dazu bereit“, so Kehl. „Wir haben die Möglichkeit, Geschichte zu schreiben.“ Eine Geschichte, die jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertelang erzählt werden würde.
Die Zahlen 40 und 41
Dabei ist das diesjährige Finale auf dem Papier wohl das eindeutigste der letzten Jahre. Auf der einen Seite Borussia Dortmund – Tabellenfünfter nach einer verkorksten Bundesliga-Saison, mit Ach und Krach noch für die kommende Champions-League-Saison qualifiziert, in dieser mit einem besonderen Champions-League-Gesicht. Auf der anderen Seite Rekord-Titelträger Real Madrid – spanischer Meister, 14-facher Champions-League-Sieger und seit 41 Jahren ohne Niederlage in einem europäischen Endspiel.
Während die Madrilenen vom erfahrenen Carlo Ancelotti (mittlerweile 64 Jahre alt) trainiert werden – der mehr Henkelpötte gewann als jeder andere Trainer (vier) –, sitzt der 23 Jahre jüngere Terzić auf der BVB-Trainerbank. Noch vor drei Monaten war unklar, ob der 41-Jährige zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch Trainer der Borussia sein würde. Entgegen der damaligen Unruhe zeigte sich der Coach am Freitag forsch: „Ein Finale spielt man nicht, ein Finale gewinnt man. Das ist unser klares Ziel.“ Angesprochen auf die 40-jährige makellose Endspiel-Serie des kommenden Gegners, fand er in einem viralen Clip nur eine Antwort: „Ich bin 41.“
Offene Rechnung von Wembley
Zudem ist der Cheftrainer „felsenfest überzeugt“, dass in einem Spiel alles möglich ist.“ Dabei kann Borussia Dortmund auch auf seine Anhänger zählen. Mehr als 400.000 Ticketanfragen reichten die BVB-Fans für das Finale ein. Rund 25.000 wurden zugeteilt, aber es kommen weitaus mehr Fans nach London. Ob mit Bussen, Zügen, in der Luft, auf dem Wasser oder sogar ganz mit dem Fahrrad. Die Dortmunder Fans reisen mit allem und jedem nach London. „London is calling – again“, sagte Kehl. Nach dem verlorenen Finale vor elf Jahren hat der BVB „eine Rechnung offen: in diesem Stadion. In dieser Stadt. In diesem Endspiel.“
Für BVB-Ikone Marco Reus ist es in doppelter Hinsicht ein Endspiel. Das Champions-League-Finale ist sein letztes Spiel für Borussia Dortmund. Auch beim verlorenen Finale vor elf Jahren war er dabei. Ebenso bei der spät verspielten deutschen Meisterschaft im letzten Jahr. Ein krönender Abschluss im allerletzten BVB-Spiel wäre die Vollendung einer vom Pech geprägten Karriere. „Jetzt müssen wir auch gewinnen. Sonst wäre es scheiße“, resümierte der langjährige Kapitän.
Erinnerungen an das Finale von 1997
Obwohl die sportlichen Vorzeichen schlecht zu stehen scheinen, gibt die Historie Hoffnung. Die wankelmütige Dortmunder Mannschaft ist ein Phänomen. Allerdings zeigte sie in dieser Champions-League-Spielzeit eine Widerstandsfähigkeit, die ihr in den letzten Jahren oft gefehlt hatte. Es ist klar, dass diese nach dem Bundesliga-Trauma der Vorsaison nicht selbstverständlich ist. Von der Mentalitätsfrage ganz zu schweigen.
Dabei spielt es keine Rolle, wie früh der BVB gegen Milan einen Elfmeter gegen sich bekam. Oder wie oft gegen Atlético Madrid das Ausscheiden drohte, wenn der Spielverlauf mehrmals kippte. Oder ob das Aluminium im Halbfinalrückspiel gegen Paris Saint-Germain Mats Hummels als eigentlichen Spieler des Spiels hätte ablösen sollen. Borussia Dortmund steht an diesem 1. Juni im Champions-League-Finale. Ähnlich überraschend wie beim einzigen Triumph 1997.
Der Gegner vor 27 Jahren war ein ähnlicher: Juventus Turin dominierte den europäischen Fußball nach Belieben. So wie Real Madrid das in den letzten Jahren getan hat. Trotzdem setzte sich der BVB letztlich mit 3:1 durch. „So einen Titel nimmt man sein Leben lang mit“, so der damalige Siegtorschütze Lars Ricken, heute BVB-Geschäftsführer. Den Glauben von damals spürt er auch vor dem heutigen Spiel. Ein Underdog will Großes erreichen und hofft auf ein Wunder gegen die Königlichen, dem die ganze Welt zuschauen wird. Innenverteidiger Nico Schlotterbeck fasste die Situation im Vergleich zum Vorjahr zusammen: „Gegen Mainz 05 hatten wir etwas zu verlieren. Jetzt haben wir etwas zu gewinnen.“