Ballzauber am Tag der Arbeit: Der BVB träumt von Wembley
von Jean-Pascal Ostermeier | sidMit der schwarzgelben Magie eines ganz großen Fußball-Feiertags ist Borussia Dortmund dem Wunschtraum Wembley sehr nahe gekommen. Der enorm kampfstarke BVB besiegte Paris St. Germain im Halbfinal-Hinspiel der Champions League mit 1:0 (1:0) und lässt Deutschland nach elf Jahren auf eine Wiederholung des "German Endspiels" gegen Bayern München in der Londoner Stadion-Kathedrale hoffen. Das Rückspiel am Dienstag im Pariser Prinzenpark allerdings verspricht auf dem Parkett der Könige noch einen heißen Tanz.
Niclas Füllkrug ließ die gewaltige Südtribüne mit einem krachenden Flachschuss erzittern. Das Tor des Nationalspielers in der 36. Minute eröffnete dem BVB in berauschender Atmosphäre die Chance auf das sechste Europapokalfinale der Vereinsgeschichte - am 1. Juni, womöglich gegen den FC Bayern, der am Dienstag ein 2:2 gegen Real Madrid vorgelegt hatte. Zwei PSG-Pfostentreffer allerdings waren eine eindeutige Warnung.
Zudem sicherten die Dortmunder sich durch ihren Sieg die Qualifikation für die grundlegend reformierte Champions League der kommenden Saison. Dafür wird in der Bundesliga definitiv der fünfte Tabellenplatz ausreichen.
Viele Tausend Schwarzgelbe hatten den Tag der Arbeit bei Sonnenschein und Hitze genutzt, um sich ebenso stimmgewaltig wie trinkfest auf das größte BVB-Spiel seit dem Champions-League-Finale 2013 einzustimmen. Auch die PSG-Fans veranstalteten auf ihrem Marsch von der U-Bahn-Haltestelle Westfalenstadion zum Auswärtsblock ein Spektakel mit Feuerwerk und Leuchtfackeln.
Die Luft flirrte, sie war zum Schneiden dick, das bemerkte weit vor dem Anpfiff auch Hans-Joachim Watzke. "Ich habe gesagt, dass wir das Spiel genießen sollen", sagte er bei DAZN, er schränkte sogleich ein: "Es klappt nicht so ganz. Man spürt die Anspannung einfach." Paris machte der Vereinsboss als Favorit aus, "aber das war Real Madrid 2013 auch". Bis der BVB es mit 4:1 aus dem Stadion fegte.
Die Dortmunder waren vor 81.365 Zuschauern hellwach, ganz nah an ihren Gegenspielern und um Offensive bemüht. Defensiv stimmte besonders durch die Rückkehr des zuletzt erkrankten Marcel Sabitzer die Ordnung - der Österreicher hatte nach schnellem Umschalten über die sehr aktive rechte Seite auch die erste Großchance des Spiels (14.). Auf den Pariser Superstürmer Kylian Mbappe stürzten sich stets mehrere Dortmunder sofort nach der Ballannahme, der 25-Jährige kam lange nicht in potenziell gefährliche Räume - und Karim Adeyemi klärte hinten im Vollsprint (32.).
PSG konzentrierte sich im Anlaufen auf den meist sehr souveränen Mats Hummels, Rechtsverteidiger Julian Ryerson hingegen durfte den Ball regelmäßig unbedrängt nach vorne treiben. Presste der BVB, produzierte der französische Meister einige erstaunliche Querschläger, aus ihren Ballgewinnen am Strafraum machten die Dortmunder allerdings zu wenig.
Die Führung entstand schließlich aus einem langen Pass von Nico Schlotterbeck. Füllkrug startete, nahm den Ball mit und schloss knallhart ab - unhaltbar für Torhüter Gianluigi Donnarumma. Das Stadion kochte. Den früheren Bayern-Spieler Lucas Hernandez musste PSG-Trainer Luis Enrique überdies kurz darauf wegen einer Verletzung auswechseln (42.). Sabitzer hätte 60 Sekunden später volley sogar das 2:0 nachlegen können: Der BVB hob ab, Paris wankte.
Die Franzosen kamen allerdings mit einem Knalleffekt zurück. Mbappe versetzte Sabitzer und schlenzte an den linken Innenpfosten - Sekunden später tickte der Ball nach einem Schuss des früheren Dortmunders Achraf Hakimi auch noch vom linken Innenpfosten zurück ins Feld, PSG zog das Netz enger, kombinierte, fand zuvor vermisste Tiefe. Doch das Spiel wogte hin und her: Füllkrug hatte das 2:0 auf dem Fuß (60.) und dem Kopf (66.). Der BVB blieb bis zum Ende gierig und hart - und glücklich: Vitinha schoss knapp am linken Pfosten vorbei (82.).
(sid)