1. Bundesliga

Vor 55 Jahren: Eintracht Braunschweig – Die Negativ-Champions

Die Bundesliga gehtam 5. August 2022 in ihre 60. Saison. Fussballdaten.de zeigt die kuriosestenStatistiken. Welcher Klub war am häufigsten Letzter? Welche Teams bestrittendie meisten Spiele? Gab es auch einen Negativ-Champion? Ja, gab es! Und zwarEintracht Braunschweig, das vor 55 Jahren gebührend feierte.  

Braunschweig, 3. Juni 1967. Eine Stadt steht Kopf. 15.000Fans feiern den neuen Deutschen Meister Eintracht Braunschweig auf demAltstadtmarkt. Immer wieder ist der Meister-Gesang „Ei, jei, jei, jei,Eintraaaacht Braunschweig“ im Stadion an der Hamburger Straße, in den Kneipenund in den Straßen der zweitgrößten Stadt Niedersachsens zu hören.

Euphorie um ein Meisterstück, wie es die erst 1963gegründete Bundesliga noch nicht erlebt hat und es bis 1991, mit dem nichtminder sensationellen Sprung des 1. FC Kaiserslautern von Rang 12 auf 1, nichtmehr sehen wird.

„Wir waren nicht mal eine graue Maus, wir waren dunkelgrau“,erinnert sich Braunschweigs Meister-Torhüter Horst „Luffe“ Wolter (79) im Kicker-Special Die Meister-Helden (2017), „wir galten für viele als AbsteigerNummer eins.“ Auch für Weltmeister und Experte Fritz Walter. Beimtraditionellen Meister-Tipp des Kicker-Sportmagazinssetzt keiner der befragten Prominenten, u. a. Bundesliga-Initiator Franz Kremer(„Der Boss“), Jupp Derwall oder Richard Stücklen, auf die Eintracht. Unter demfußballbegeisterten Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) ist der Kicker 1966 im Parlament Pflichtlektüre.

Die Kür des Negativ-Champions Eintracht Braunschweig fälltjedoch nicht mehr in Erhards Amtszeit. Die „Löwen“ sorgen für Negativ-Bestmarken,mit denen nie zuvor und auch danach ein Bundesliga-Team die Meisterschaleholte.

Die Negativ-Rekordevon Meister Eintracht Braunschweig

  • Auswärtssiege:Die Braunschweiger gewannen nur 4-mal in fremden Stadien, diesen Wertegalisierte später nur der FC Bayern München 1993/94 (ebenfalls 4)
  • Tore: 49Saison-Tore sind wohl auf ewig der Negativ-Rekord eines Deutschen Meisters inder Bundesliga
  • Tordifferenz:Plus 22, das ist trotzdem ein Negativ-Wert für einen BL-Meister
  • Torschützen:Lediglich sieben Braunschweiger Spieler, Lothar Ulsaß (Top-Torjäger mit 14Treffern), Erich Maas, Gerd Saborowski, Jürgen Moll († 1968), Hans-Georg Dulz, KlausGerwien und Wolfgang Grzyb trugen sich in die Torschützenliste ein, siebenTorschützen sind für einen Meister Negativ-Rekord zusammen mit 1860 München1965/66
  • Ergebnisse: HorstWolter hielt 7-mal seinen Kasten sauber, ohne dass seine Mitspieler selbst trafen, 7-mal 0:0 bedeuten einen Rekord für einen Meister der Bundesliga-Ära
  • Auswärtsbilanz: 7-malverlor Eintracht Braunschweig in fremden Stadien, das passierte unter denMeistern danach nur noch dem VfL Wolfsburg 2008/2009

Aber: Der scheinbarunbekannte Meister war ein großes Team

Braunschweig ein One-Hit-Wonder? Nein! In derEuropapokal-Saison der Landesmeister 1967/68 erreichten die Braunschweiger dasViertelfinale – und lieferten den nächsten Coup. Die Eintracht zog gegen DinamoTirana kampflos in die zweite Runde ein. Der Grandplatz der Albaner hatte denUEFA-Standards nicht genügt. In Runde 2 schaltete man den österreichischenMeister Rapid Wien (0:1 / 2:0) aus. Als legendär gilt das 3:2 gegen denitalienischen Rekordmeister Juventus Turin im Viertelfinal-Hinspiel am 31.Januar 1968. Da es damals noch keine Auswärtstor-Regel gab, musste nach 0:1 inTurin ein drittes Spiel her. Im Wankdorf-Stadion von Bern verlor Braunschweigmit 0:1.

Nur der 1. FC Köln (1965) schaffte es zuvor unter den Meisternder ersten Bundesliga-Dekade (1963 bis 1969) ins Viertelfinale.