Siebtes Zweitliga-Jahr droht: HSV bleibt nur wenig Hoffnung
von Marcel Breuer | dpaAbseits des Jubels der Mannschaft, der Trainer und der Fans von Holstein Kiel standen die Spieler des Hamburger SV tief enttäuscht auf dem Spielfeld im Volksparkstadion. Nach dem 0:1 gegen den Zweitliga-Tabellenführer und wahrscheinlichen Bundesliga-Neuling aus dem hohen Norden war den meisten von ihnen klar: Das war's wohl mit dem Aufstieg, das siebte Zweitliga-Jahr droht. «Nach so einer Niederlage und bei der Ausgangslage muss ein Wunder her», sagte Stürmer Robert Glatzel.
Dieses Fußball-Wunder müsste schon gewaltig ausfallen. Rechnerisch ist für die Hanseaten in den noch vier verbleibenden Spielen der Sprung auf Rang drei zwar möglich. Allein es fehlt der Glaube angesichts des Rückstands des Tabellenvierten zum Aufstiegsrelegationsplatz von nun sechs Punkten.
«Wir sind Realisten. Die Jungs, die vor uns sind, machen ihre Hausaufgaben und wir nicht. Das ist erst einmal Fakt», stellte HSV-Trainer Steffen Baumgart nüchtern fest. Das heiße nicht, «dass wir aufhören, dass wir aufgeben», fügt er an. «Wir sollten aber anfangen, unsere Hausaufgaben zu machen. Sonst brauchen wir über nichts zu reden.»
HSV mit schwacher Tordifferenz
Dass die HSV-Konkurrenz plötzlich einbricht, erscheint im Moment schwer vorstellbar. Der Tabellendritte Fortuna Düsseldorf hatte vor dem Top-Spiel in Hamburg seine Pflicht gegen die SpVgg Greuther Fürth mit den 1:0 erfüllt und holte den sechsten Sieg nacheinander. Dazu kommt, dass der HSV eine um 16 Tore schlechtere Tordifferenz als die Fortuna aufweist.
Dass es für den HSV trotz starker Einzelspieler derzeit nicht für ganz oben reicht, ist eine bittere Feststellung kurz vor dem Saisonende. Wenn wie gegen Holstein Kiel der Topscorer Laszlo Bénes kurzfristig ausfällt, kann dies nur schwer kompensiert werden. «Wir haben nicht schlecht gespielt», sagte der Ex-Kieler und heutige HSV-Mittelfeldspieler Jonas Meffert. Und in der Tat trugen die Gastgeber vor 57.000 Zuschauer zu einem sehr intensiven Nordduell bei.
Einsatzbreitschaft und Willen war keinem Spieler abzusprechen. Doch «nicht schlecht gespielt» ist nicht aufstiegsreif. Dass das Gegentor durch Tom Rothe (59.) wegen eines vermeintlichen Fouls von Kiels Marko Ivezic an HSV-Torwart Matheo Raab («Für mich ist es unbegreiflich, wie man da nicht pfeifen kann») zumindest diskutabel war, war unglücklich für die Hamburger. Dass ihnen nach der Gelb-Roten Karte für den Ex-HSVer Lewis Holtby (73.) in Überzahl nicht viel einfiel, war aber ein Beleg für die aktuellen Defizite vor allem in der Offensive.
Die Situation der Kieler erscheint wie ein Gegenentwurf zu HSV-Lage. Spielerisch hatten sie im Volksparkstadion auch nicht geglänzt. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der sie agierten, das Selbstbewusstsein und die Einsatzlust waren ständig zu spüren. Die verletzungsbedingte Auswechslung von Finn Porath (24.) wurde durch Siegtorschütze Rothe bestens ausgeglichen.
Lob von Holtby ans Team
«Fußballerisch war das nicht das, was ich mir vorgestellt habe», sagte Trainer Marcel Rapp. «Aber alles nachvollziehbar. Die Jungs haben sehr gut verteidigt. Und das ist die Basis für alles.» Holtby sprach seinen Teamkollegen ein großes Lob aus. «Ich kriege hier eine dumme Gelb-Rote Karte, aber die Jungs fighten wie Löwen. Sie schmeißen sich in jeden Schuss, verteidigen die Flanke, jeder hat Gas gegeben», sagte er bei Sport1. «Das ist eine Mannschaft.»
Und diese Mannschaft ist auf dem besten Weg nach dem sechsten Sieg nacheinander ohne Gegentor, erstmals Schleswig-Holstein auf die Bundesliga-Landkarte zu bringen. Nach dem Schlusspfiff feierten die Spieler, ihr Trainer und dessen Team mit den Fans, als wäre der historische Coup schon geschafft.
Zumindest haben sie ein Etappenziel erreicht: Mit 61 Punkten liegen die Kieler zwölf Zähler und mit der um 13 Treffer besseren Tordifferenz vor dem HSV. Damit haben sie den Aufstiegsrelegationsplatz drei damit schon so gut wie sicher. Die HSV-Protagonisten wünschten sich, dass auch sagen zu können. Mefferts ernüchternde Feststellung: «Wir haben es definitiv nicht mehr in unserer Hand.»
(dpa)