Anfang zeigt Reue: «Auf ganzer Linie als Vorbild versagt»
von Marcel Breuer | dpa1:0
Für Werder Bremen war es das wahrscheinlich größte Fußballfest seit mehr als zwei Jahren. 41.000 Zuschauer, ein 1:0-Sieg im Zweitliga-Topspiel gegen Darmstadt 98 - und das auch noch ohne fünf verletzte oder corona-infizierte Stammspieler.
«Ein sehr schöner Abend», sagte Trainer Ole Werner norddeutsch nüchtern nach dem Spiel. Etwa zeitgleich saß sein Vorgänger Markus Anfang im ZDF-«Sportstudio» in Mainz und versuchte zu erklären, warum er sich vorerst selbst um die Möglichkeit gebracht hat, bei solchen Spielen wie dem seiner beiden Ex-Clubs an der Seitenlinie zu stehen. «Natürlich wünscht man sich, dass ein Mensch eine zweite Chance bekommt. Aber ich kann das nicht erwarten», sagte der 47-Jährige bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Impfpass-Skandal.
Anfang war am 20. November als Werder-Trainer zurückgetreten, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen der Nutzung eines gefälschten Impfausweises ermittelte. Mittlerweile hat ihn das Amtsgericht Bremen zu einer Geldstrafe von 36.000 Euro und das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes zu einer Sperre von einem Jahr verurteilt, die ab dem 10. Juni zur Bewährung ausgesetzt wird.
Er habe «auf ganzer Linie als Vorbild versagt». Und «ich habe viele Menschen, die Vertrauen in mich gesetzt und mich unterstützt haben, enttäuscht und belogen», sagte Anfang in zwei Interviews des ZDF und der «Bild am Sonntag», die aus seiner Sicht nun retten sollen, was von seiner Reputation als Fußballlehrer noch zu retten ist.
Der frühere Bundesliga-Profi ist nach eigenen Angaben nach wie vor nicht geimpft. Er erklärt dies mit «einer großen Angst vor dieser Impfung», die von einer eigenen Herzmuskelentzündung und einem schweren Herzinfarkt bei seinem Vater herrühre.
Myokarditis kann in sehr seltenen Fällen nach einer mRNA-Impfung mit Moderna oder Biontech auftreten, betroffen sind vor allem junge Männer. Experten beurteilen das Risiko einer Herzmuskelentzündung nach einer Corona-Infektion aber als größer als nach einer Schutzimpfung. «Aber diese Angst ist mir schwer zu nehmen», sagte Anfang. Er habe deshalb eine Impfung vorgetäuscht, um seinen Trainerjob nicht zu gefährden. «Werder Bremen war eine Riesenchance für mich. Ich wollte unbedingt dabei bleiben», sagte er.
Andere Fragen dagegen sind weiter offen. Wo der gefälschte Impfpass herkam, zum Beispiel («Das habe ich der Staatsanwaltschaft gesagt»). Warum auch sein Co-Trainer Florian Junge ein solches Dokument nutzte. Oder warum Anfang im «Sportstudio» davon sprach, sich aus Angst davor, als Coronafall aufzufliegen, «jeden Morgen selbst getestet» habe, während im DFB-Urteil steht: Anfang und Junge hätten «ab dem frühen Herbst nicht mehr an den im DFB-/DFL-Hygienekonzept vorgeschriebenen Testungen von Werder Bremen teilgenommen».
Und dann gibt es da noch die rein sportliche Dimension dieses Falls: Dass Anfangs Affäre nämlich bei Werder nicht das befürchtete Chaos ausgelöst hat, sondern im Gegenteil eine sehr erfolgreiche Entwicklung. Das 1:0 gegen Darmstadt war bereits der zehnte Sieg im zwölften Spiel unter Anfangs Nachfolger Ole Werner. Der Aufstiegsfavorit hat nun drei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, obwohl auch Rivalen wie der FC St. Pauli (1:0 gegen Heidenheim) und Schalke 04 (2:1 gegen Hannover) wieder zulegen.
«Er hat Ruhe reingebracht», sagte Niclas Füllkrug über Werner. Der Stürmer hatte zuvor in der 52. Minute das Siegtor gegen Darmstadt geschossen. Wie Werner diese Ruhe und Klarheit auf die Mannschaft überträgt, war in diesem Spiel besonders gut zu sehen. Zum ersten Mal musste Werder in Ömer Toprak, Marvin Ducksch, Mitchell Weiser, Marco Friedl und Leonardo Bittencourt mehrere Schlüsselspieler auf einmal ersetzen. Der frühe Platzverweis für Darmstadts Klaus Gjasula (23.) war ein Hauptgrund für diesen verdienten Bremer Sieg. Werders Fähigkeit, «die Rückschläge wegzustecken» (Werner), ein anderer.
Diese Entwicklung macht es auch für Anfang nicht leichter. «Ich freue mich für den Verein, dass er erfolgreich ist», sagte er. «Aber es tut einfach noch zu weh, die Spiele anzuschauen.»
(dpa)
«Ein sehr schöner Abend», sagte Trainer Ole Werner norddeutsch nüchtern nach dem Spiel. Etwa zeitgleich saß sein Vorgänger Markus Anfang im ZDF-«Sportstudio» in Mainz und versuchte zu erklären, warum er sich vorerst selbst um die Möglichkeit gebracht hat, bei solchen Spielen wie dem seiner beiden Ex-Clubs an der Seitenlinie zu stehen. «Natürlich wünscht man sich, dass ein Mensch eine zweite Chance bekommt. Aber ich kann das nicht erwarten», sagte der 47-Jährige bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Impfpass-Skandal.
Anfang war am 20. November als Werder-Trainer zurückgetreten, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen der Nutzung eines gefälschten Impfausweises ermittelte. Mittlerweile hat ihn das Amtsgericht Bremen zu einer Geldstrafe von 36.000 Euro und das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes zu einer Sperre von einem Jahr verurteilt, die ab dem 10. Juni zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der frühere Bundesliga-Profi ist nach eigenen Angaben nach wie vor nicht geimpft. Er erklärt dies mit «einer großen Angst vor dieser Impfung», die von einer eigenen Herzmuskelentzündung und einem schweren Herzinfarkt bei seinem Vater herrühre.
Andere Fragen dagegen sind weiter offen. Wo der gefälschte Impfpass herkam, zum Beispiel («Das habe ich der Staatsanwaltschaft gesagt»). Warum auch sein Co-Trainer Florian Junge ein solches Dokument nutzte. Oder warum Anfang im «Sportstudio» davon sprach, sich aus Angst davor, als Coronafall aufzufliegen, «jeden Morgen selbst getestet» habe, während im DFB-Urteil steht: Anfang und Junge hätten «ab dem frühen Herbst nicht mehr an den im DFB-/DFL-Hygienekonzept vorgeschriebenen Testungen von Werder Bremen teilgenommen».
Und dann gibt es da noch die rein sportliche Dimension dieses Falls: Dass Anfangs Affäre nämlich bei Werder nicht das befürchtete Chaos ausgelöst hat, sondern im Gegenteil eine sehr erfolgreiche Entwicklung. Das 1:0 gegen Darmstadt war bereits der zehnte Sieg im zwölften Spiel unter Anfangs Nachfolger Ole Werner. Der Aufstiegsfavorit hat nun drei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, obwohl auch Rivalen wie der FC St. Pauli (1:0 gegen Heidenheim) und Schalke 04 (2:1 gegen Hannover) wieder zulegen.
«Er hat Ruhe reingebracht», sagte Niclas Füllkrug über Werner. Der Stürmer hatte zuvor in der 52. Minute das Siegtor gegen Darmstadt geschossen. Wie Werner diese Ruhe und Klarheit auf die Mannschaft überträgt, war in diesem Spiel besonders gut zu sehen. Zum ersten Mal musste Werder in Ömer Toprak, Marvin Ducksch, Mitchell Weiser, Marco Friedl und Leonardo Bittencourt mehrere Schlüsselspieler auf einmal ersetzen. Der frühe Platzverweis für Darmstadts Klaus Gjasula (23.) war ein Hauptgrund für diesen verdienten Bremer Sieg. Werders Fähigkeit, «die Rückschläge wegzustecken» (Werner), ein anderer.
Diese Entwicklung macht es auch für Anfang nicht leichter. «Ich freue mich für den Verein, dass er erfolgreich ist», sagte er. «Aber es tut einfach noch zu weh, die Spiele anzuschauen.»
(dpa)