1. Bundesliga

Kane-Poker: Warum Bayerns 200-Millionen-Paket Sinn macht

Die kolportierte Deadline des FC Bayern hat den Knoten im zähen Millionen-Poker mit Tottenham Hotspur um Münchens Wunschspieler Harry Kane nicht mit einem Wumms zerschlagen.

Auch am Wochenende galt der Status quo: Der Kapitän der englischen Fußball-Nationalmannschaft sollte am Nachmittag im Trikot der Spurs zum abschließenden Test der Saisonvorbereitung gegen Schachtjor Donezk antreten. Kanes Abschiedsspiel im Tottenham Stadium eine Woche vor dem Premier-League-Start?

Die Bayern wiederum werden am Montag (17.00 Uhr) im Sportpark Unterhaching gegen AS Monaco ihren finalen Probelauf vor dem Supercup-Duell mit DFB-Pokalsieger RB Leipzig bestreiten - sicher ohne Königstransfer Kane. Und wohl auch ohne Yann Sommer, der zu Wochenbeginn in Italien zum Medizincheck erwartet wird und dann bei Inter Mailand im Tor stehen wird.
Tottenham-Boss Daniel Levy, die Schlüsselfigur im Kane-Poker, soll nach der vermeintlich letzten Münchner Offerte in einer Größenordnung um 100 Millionen Euro erst einmal in die USA gereist sein. Dort lebt der 86 Jahre alte Spurs-Besitzer Joe Lewis, der mit dem 30 Jahre alten Kane in diesem Sommer noch Kasse machen möchte. Denn in einem Jahr könnte der Torjäger seinen Verein ablösefrei verlassen. Die grundverschiedenen Sichtweisen und Millionen-Rechnungen aller drei Handelsparteien machen den Bundesliga-Rekordeinkauf Harry Kane so vertrackt.

Die Bayern-Position:
Kane ist das erklärte Zielobjekt in der noch drei Wochen laufenden Transferperiode. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, die alten, wieder aktiven Macher im Münchner Transferausschuss, wollen ein Ausrufezeichen setzen. Der Bundesliga-Krösus ist bereit, für Topstürmer Kane ein nie dagewesenes 200-Millionen-Euro-Paket zu schnüren; 100 davon als Ablöse, und noch mal 100 als Gehaltskosten für vier Vertragsjahre.

Die irre anmutende Gesamtsumme könnte sich rechnen. Auch 100 Millionen Euro für einen 30 Jahre alten Spieler, der 2024 ablösefrei zu haben wäre. Dann würde freilich ein hohes Handgeld an den Spieler und dessen Berater fällig. Kommt Kane jetzt nicht, bräuchten die Bayern zudem vorne eine Übergangslösung; auch ein Leihspieler wäre kostspielig.

Das Jahr nach Robert Lewandowski mit der missglückten Sadio-Mané-Lösung sowie die jüngste Asienreise haben offenbart, dass die Bayern für ihre hohen Ziele handeln müssen. «Harry Kane ist ein hochattraktiver Spieler und würde uns guttun», sagte Präsident Herbert Hainer. Nach dem Titelgewinn 2020 war für die Bayern dreimal nacheinander im Viertelfinale der Champions League Endstation. «Damit sind wir nicht zufrieden», betonte Hainer: «Da gibt es sicherlich Potenzial nach oben. Das will (Trainer) Thomas Tuchel heben.»

Wenn der - wie Lewandowski - selten verletzte und spielstarke Kane in München wie in der Premier League als verlässlicher Torlieferant funktionieren sollte, könnte er die hohen Kosten quasi selbst wieder einspielen. Über Trikotverkäufe und sportliche Erfolge. Ein Halbfinale in der Königsklasse bringt alleine 15 Millionen Euro ein, ein Finaleinzug das Doppelte. In Jamal Musiala, Leroy Sané, Kingsley Coman und Thomas Müller verfügen die Bayern über etliche herausragende Vorlagengeber. Einer Neuner wie Kane sollte 30 Saisontore garantieren.

Der «Goldrausch» in Saudi-Arabien, von dem Coach Tuchel sprach, hat zudem ermöglicht, das Missverständnis Mané mit 30 Millionen Euro Ablöse von Al-Nassr und dem eingesparten Jahresgehalt von um die 20 Millionen Euro zu beenden. Kanes Ablöse wäre alleine damit schon zur Hälfte finanziert.

Tottenhams Sicht

Wenn Kane seinen 2024 auslaufenden Vertrag partout nicht verlängern will, wäre ein kostenloser Abschied der Vereinsikone 2024 blöde. Ein Verkauf innerhalb der Premier League wiederum gilt als No-go. Boss Levy könnte aber auch so rechnen: Kane schießt die Londoner im letzten Vertragsjahr noch einmal in die Königsklasse, was Einnahmen von mindestens 50 Millionen Euro garantiert. Zumal von einer 100-Millionen-Zahlung der Bayern einiges in einen Kane-Nachfolger investiert werden müsste. Werder Bremens Nationalstürmer Niclas Füllkrug bringen Medien dafür bereits ins Spiel.

Der Spieler:

Kane scheint fest entschlossen, nach München zu gehen - sofort oder 2024. Ein Verbleib in London könnte zu einem dauerhaften Unruhefaktor in Club und Team werden. Die Bundesliga ist im Vergleich zur englischen Liga sicherlich nicht das Lockmittel. Aber Tottenham hat als Tabellenachter der Vorsaison die Champions League verpasst. Kane fehlen in seiner Karriere Titel, das ist Bayerns Chance. Mit den Spurs verlor er 2019 das Königsklassen-Finale gegen den FC Liverpool. Die Bayern sind stets ein Final-Anwärter - und Robert Lewandowski ist in München mit seinen Toren zum Weltfußballer und Champions-League-Sieger geworden.(dpa)