Nichts wie raus! - 3. Liga trotz Rekorden eine Pleiteliga

von Marcel Breuer | dpa11:56 Uhr | 22.01.2020
Fordert schon seit einer Weile die Eingliederung der 3. Liga unter das Dach der DFL: Unterhachings Vereinspräsident Manfred Schwabl. Foto: Sven Hoppe/dpa
Foto: Sven Hoppe

Die Zuschauerzahlen steigen kontinuierlich, alle Spiele laufen live im TV und zur prominenten Besetzung gehören einstige Weltmeister, Europacup-Sieger und deutsche Meister. Auf den ersten Blick erscheint die 3. Liga wie ein echtes Erfolgsmodell.

Das sehen die meisten Vereine allerdings anders. Für sie heißt vor dem Wieder-Auftakt nach der Winterpause am 24. Januar das Motto: Nichts wie raus!

Bis zu den künftig vom früheren Meister-Trainer Felix Magath unterstützen Würzburger Kickers auf Tabellenplatz 13 hoffen angesichts der engen Tabellen-Konstellation mehr als ein Dutzend Vereine auf den Aufstieg. Und es ist nicht nur der sportliche Ehrgeiz, der alle treibt. Sondern vor allem die finanzielle Sorge.

In der 3. Liga müsse jeder Verein «jeden Tag ums Überleben kämpfen», sagte Ex-Nationalspieler Manfred Schwabl. Der Präsident der SpVgg Unterhaching fordert schon seit einer Weile die Eingliederung der dritten Profiliga unter das Dach der Deutschen Fußball Liga. Die DFL nimmt auch Ingo Wald, Präsident des Herbstmeisters MSV Duisburg, in die Pflicht, wenn er eine baldige Umverteilung der TV-Gelder fordert. «Ich glaube, DFL und DFB sind gut beraten, Lösungen zu finden, mit der sich die wirtschaftliche Diskrepanz zwischen den Ligen nicht so etabliert», sagte Wald der Deutschen Presse-Agentur und stellte klar: «Der MSV kann auf Dauer in der 3. Liga kaum überleben.»

Dies ist zum einen sicher ein «Systemfehler», wie Schwabl moniert. Der Unterschied bei den TV-Geldern nach einem Abstieg betrage mindestens acht Millionen Euro, rechnet Wald vor: «Bei Vereinen, die längere Zeit in der 2. Liga gespielt haben, ist die Differenz noch deutlich größer.» So schnell kämen die Vereine aber nur schwerlich von ihrem Kosten-Niveau der 2. Liga herunter, so der MSV-Präsident.

Um dieser Kostenfalle zu entgehen, stürzen sich viele Vereine ins Risiko - und übernehmen sich. Der DFB monierte schon einmal ein «gegenseitiges Wettrüsten» der Vereine. «Die Spielergehälter sind oft gar nicht weit auseinander», sagte Günther Gorenzel, Geschäftsführer von 1860 München. Laut DFB-Finanzbericht wird für die Saison 2018/19 ein durchschnittlicher Fehlbetrag von über 1,5 Millionen Euro verbucht werden - das ist mehr als das Fernsehgeld von 1,28 Millionen pro Saison. «Dieser deutlich negative Rekordwert wird jedoch stark durch einzelne Klubs beeinflusst», schreibt der DFB.

Insgesamt hatten die 20 Vereine zum Stichtag am 31. Dezember 2018 113 Millionen Euro Schulden angehäuft. Alleine in den vergangenen drei Jahren stellten vier Drittligisten den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

Große Nöte haben auch die früheren deutschen Meister Eintracht Braunschweig und 1. FC Kaiserslautern. Die Braunschweiger hatten zum Zeitpunkt ihres überraschenden Zweitliga-Abstiegs 2018 keine Schulden und ein Eigenkapital von 7,6 Millionen Euro. Nach nur einem Jahr in der 3. Liga ist ein Teil davon schon aufgezehrt. In der vergangenen Saison machte die Eintracht 4,4 Millionen Euro Minus. «Und dieser Millionenverlust ist dank der harten und teilweise auch sehr schmerzhaften Sparmaßnahmen deutlich geringer ausgefallen als zunächst befürchtet», sagte Präsident Sebastian Ebel. Unter anderem lösten die Braunschweiger ihre Scouting-Abteilung auf und stuften die zweite Mannschaft in die Landesliga zurück. Fast alles Geld fließt den Profis zu, damit diese in die 2. Liga aufsteigen.

Als Vierter belegen die Niedersachsen nach der Hinrunde und einem Rückrunden-Spieltag ebenso wenig einen Aufstiegsplatz wie die Lauterer auf Platz neun. Einen Rang vor den Pfälzern liegt noch der KFC Uerdingen, wo seit 2018 der Rio-Weltmeister Kevin Großkreuz unter Vertrag steht.

Der FCK scheint sich mit dem neuen Aufsichtsrat um Ex-Weltschiedsrichter Markus Merk endlich professioneller aufzustellen und legte sportlich in 2019 einen starken Schlussspurt hin. Dennoch ist es ein ständiger Tanz auf der Rasierklinge. Die Lizenz für diese Spielzeit wurde nur durch die Aufnahme von Fremdkapital in Höhe von rund zwölf Millionen Euro gesichert, die Verbindlichkeiten betragen fast 25 Millionen Euro. Das Saison-Minus dürfte sich wie im Vorjahr auf mindestens fünf Millionen belaufen.

Rostocks Trainer Jens Härtel schlug derweil einen «Boxing Day» vor. Durch das Durchspielen im Winter solle sich die 3. Liga ein Alleinstellungsmerkmal verpassen. «Interessant» nennt Wald die Idee. Und auch die zuständige DFB-Direktorin Heike Ullrich sagte dem «kicker», das sei «eine Diskussion wert. Wir sind für alle Themen und Anregungen offen, die dazu beitragen können, die 3. Liga noch attraktiver zu gestalten.» Damit diese nicht nur auf den ersten Blick ein Erfolgsmodell ist.





Es ist nicht so wichtig, wie viel du rennst, sondern wie du rennst. Man muss die Wege mit Hirn gehen, sonst sind sie vergeblich.

— Niko Kovac