Nicht wenige Beobachter waren dann doch überrascht, als der 1. FC Nürnberg nur drei Tage nach der Relegation die Trennung von Robert Palikuca bekanntgab. Nun steht man wie schon im Februar 2019 ohne Trainer und ohne Sportvorstand da. Der Kroate wirkt wie ein Bauernopfer. Und während andere Klubs ihre Kaderplanungen längst zielgerichtet vorantreiben, sucht der Club nun erstmal einen geeigneten Nachfolger. Als (einziger) Kandidat gilt derzeit Dieter Hecking.
1. FC Nürnberg
2. Bundesliga
•Rang: 12•Pkt: 18•Tore: 26:23
Zuerst hatte der „kicker“ über das Interesse an Hecking berichtet. Der 55-Jährige hat bekanntlich eine Nürnberger Vergangenheit, war von Dezember 2009 bis Dezember 2012 Club-Trainer. In der Saison 2009/10 hielt er in der Relegation gegen Augsburg die Klasse. Ein Jahr später führte er die Franken auf Platz 6. Dass der gelernte Polizist den Traditionsverein dank einer Ausstiegsklausel einst in der Winterpause in Richtung Wolfsburg verließ, nimmt ihm allerdings noch so mancher übel. Angesichts der aktuellen sportlichen Lage sollte es den allermeisten aber nicht schwer fallen, dem ehemals Abtrünnigen sein fast acht Jahre zurückliegendes ‚Fehlverhalten‘ zu verzeihen.
Für Nürnberg war es rückblickend betrachtet der Anfang vom Ende. Der damalige U23-Trainer Michael Wiesinger, von Palikuca im vergangenen Jahr als NLZ-Leiter installiert, konnte dann in der Rückrunde zwar noch die Klasse halten (gemeinsam mit Heckings langjährigem Vertrauten Armin Reutershahn). Anschließend ging es beim FCN jedoch stetig bergab, die Relegation gegen Ingolstadt war der vorläufige Tiefpunkt dieser Entwicklung.
Gegenüber den „Nürnberger Nachrichten“ bestätigte Hecking nun, dass es Gespräche mit dem Club gegeben hat. „Es gab eine Kontaktaufnahme und mehr nicht. Jetzt muss man abwarten, ob es nochmal einen Kontakt geben wird“. Ein Dementi klingt anders, doch es macht stutzig, dass bereits einen Tag nach der Bekanntgabe von Palikucas Abschied ein prominenter Name durchgesickert ist.
Statt hinter verschlossenen Türen und ohne Nebengeräusche die Rahmenbedingungen einer möglichen Zusammenarbeit auszuloten, scheint sich nun öffentlich alles auf Hecking zu konzentrieren. Dahinter angesichts seiner unbestrittenen Expertise ein Ablenkungsmanöver oder gar eine Strategie der oft amateurhaft wirkenden Club-Führung um den Aufsichtsratvorsitzenden Dr. Thomas Grethlein zu vermuten, benötigt einiges an Fantasie.
Hecking würde die Erfahrung von fast 750 Spielen als Trainer mit an den Valznerweiher bringen. Die Rolle als Sportvorstand wäre für ihn jedoch Neuland. Daher soll es beim FCN offenbar Zweifel geben, ob er der Aufgabe gewachsen wäre. Schließlich hatte man mit Palikuca erst im April 2019 einem Novizen das Vertrauen geschenkt und damit schlechte Erfahrungen gemacht.
Doch Hecking hat nicht nur eine kaufmännische Ausbildung absolviert und Sportmanagement studiert, sondern gilt auch als umgängliche Führungspersönlichkeit. Genau das sucht der neunfache Deutsche Meister. Mit Stationen in Hannover, Gladbach, Wolfsburg und Hamburg dürfte er in der Branche zudem über hervorragende Kontakte verfügen.
Nach seinem HSV-Abgang hatte Hecking zwar noch verkündet, dass er sich „als Erstliga-Trainer sehe“. Bleibt dennoch die Frage, weshalb Hecking für ein mögliches Trainer-Comeback beim FCN offenbar überhaupt gar nicht in Frage kommt oder kommen will. Andererseits könnte ihn die neue Aufgabe in Nürnberg durchaus reizen. Obwohl man beim Club weiterhin darüber nachdenkt, dem künftigen Sportvorstand einen Technischen Direktor (Wiesinger?) an die Seite zu stellen, hätte er mutmaßlich weitgehend freie Hand und könnte seine Vorstellungen im Rahmen der überschaubaren finanziellen Möglichkeiten wohl ungehindert umsetzen. Was das für seinen ehemaligen Spieler Marek Mintal und dessen Chancen auf das vakante Trainer-Amt bedeuten würde, lässt sich bislang nur vermuten.
Ob sich Hecking tatsächlich für ein zweites Engagement im notorisch unruhigen Nürnberg begeistern kann, soll angeblich noch in dieser Woche verkündet werden.
Ich bin es leid, gegen solche Mannschaften zu verlieren. Was will denn Schalke im UEFA-Cup?
— Thomas Berthold, VfB Stuttgart, nach einer Niederlage gegen den FC Schalke 04, der im folgenden Jahr den UEFA-Cup gewann..