Erst belächelt und beschimpft, jetzt bestaunt und belohnt: Nach reichlich Lob als Transfer-König dieses Fußball-Sommers hat Hasan Salihamidzic von seinem Arbeitgeber die längst erwartete Wertschätzung in Form eines neuen, gut dotierten Vertrages erhalten.
Samstag, 03.09.2022
Der Aufsichtsrat des FC Bayern München um Vereinspräsident Herbert Hainer und Uli Hoeneß, der als Förderer «in guten wie in schlechten Zeiten» stets uneingeschränkt zu seinem Ziehsohn stand, verlängerte mit dem 45 Jahre alten Sportvorstand vor dem DFB-Pokal-Einstieg der Münchner am Mittwoch (20.46 Uhr/ARD/Sky) beim Drittligisten Viktoria Köln vorzeitig den Vertrag um drei Jahre bis zum 30. Juni 2026.
Vom «Bürschchen» aus Bosnien, wie der Spitzname «Brazzo» ins Deutsche übersetzt heißt, zum Boss: Es ist eine echte Verwandlungsgeschichte, die Salihamidzic seit seiner unverhofften Ernennung zum Sportdirektor vor fünf Jahren geschrieben hat. «Hasan Salihamidzic gibt für den FC Bayern 24 Stunden am Tag alles. Er steht für das FC-Bayern-Gen, für Kontinuität und für Titel», schwelgte Aufsichtsrats- und Club-Chef Hainer in der Vereinsmitteilung. Auch Salihamidzic wählte Pathos: «Ich habe es immer gesagt: Ich liebe den FC Bayern, München ist mein Zuhause.» Mia san mia - auf zu neuen Titeln und Millionen-Deals.
Oft unterschätzt
Es ist eine ebenso rasante wie verblüffende Entwicklung, die der Ex-Profi speziell in den vergangenen Monaten hingelegt hat. Und sie ähnelt seiner Profi-Laufbahn: Als 21-Jähriger wechselte Salihamidzic 1998 vom Hamburger SV zum FC Bayern. Schon damals wurde er belächelt, aber der Bürgerkriegs-Flüchtling biss sich im Münchner Starensemble als Namenloser durch. Er trug neun Jahre das Bayern-Trikot und gewann an der Seite des heutigen Vorstandschefs Oliver Kahn 2001 die Champions League. Es war sein Karriere-Gipfel.
Der größte Fehler scheint zu sein, Salihamidzic zu unterschätzen. Er ist fleißig, zielstrebig, lernfähig - und er kann einstecken. Seine Startphase als Sportdirektor war von öffentlichem Hohn und Spott geprägt. Später kamen üble Beschimpfungen in den Sozialen Netzwerken dazu, einige Bayern-Fans pfiffen ihn noch vor wenigen Monaten auf der Meisterfeier aus. Salihamidzic war der Buhmann bei der Flucht von Titelsammler Hansi Flick ins Bundestraineramt. Der ablösefreie Verlust von David Alaba 2021 wurde auch ihm sehr angelastet.
Salihamidzic wurde in seiner Anfangszeit als Manager zwischen den damaligen Bayern-Alphatieren Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zerrieben. Er war die Kompromisslösung des Duos, das sich nicht auf einen Sportchef festlegen konnte: Rummenigge wollte Ex-Kapitän Philipp Lahm, Hoeneß hätte Max Eberl aus Gladbach holen wollen.
Erfolgreicher Transfer-Sommer
Salihamidzic trat lange unglücklich in der Öffentlichkeit auf. Doch intensive Medienschulungen und Lehren im harten Profi-Business haben ihn rasch gestählt. Und in diesem Transfersommer lieferte er dann, insbesondere mit den Topstars Sadio Mané und Matthijs de Ligt. Gleichzeitig stimmt die Verkaufsbilanz: Neben Weltfußballer Robert Lewandowski wurden etliche Bankdrücker und Talente wie nun noch Stürmer Joshua Zirkzee zum FC Bologna für viel Geld abgegeben.
Rund 140 Millionen hat Einkäufer Salihamidzic ausgegeben, aber eben auch über 100 Millionen erlöst. Der Sportvorstand behalte «immer die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Auge», lobte Hainer. «Hasan kriegt eine Eins für die Transfers - und das Sternchen für die Verkäufe», sagte Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus zuletzt.
Zum neuen Profil eines gereiften Hasan S. gehört, dass er neuerdings bei den Spielen oben auf der Tribüne neben Vorstandsboss Kahn sitzt und nicht mehr unten auf der Bank neben Trainer Julian Nagelsmann. Im Gespräch mit Reportern tritt er inzwischen selbstsicher auf, zeigt klare Kante. Kahn (53) und Salihamidzic haben ihre Claims abgesteckt. Kahn reklamiert für sich das große Ganze: «Ich bin dazu da, den Überblick zu bewahren.» Salihamidzic verantwortet das Tagesgeschäft. Er ist der Umsetzer im Alltag, nah an den Profis, nah am Trainer.
Und der Vorgesetzte Salihamidzic nimmt Nagelsmann (35) nach seiner Sommer-Shoppingtour in die Pflicht, seine personelle Vorlage in Topfußball und Titel umzumünzen. Der Verein habe den Kader so umgebaut, «wie es den Vorstellungen des Trainers entspricht». Nun gehe es um die sportliche Umsetzung, «die Titelausbeute». Salihamidzic ist schon vorab belohnt worden - mit seinem neuen Vertrag bis 2026.(dpa)
Wir können Bayern nur schlagen oder gegen sie punkten, wenn sie am Mittwoch bei Real Madrid im Elfmeterschießen weiterkommen und vielleicht die Nacht durchfeiern und wir 200 Prozent anders spielen.
— Klaus Augenthaler