Beim Großteil der deutschen Profi-Klubs sind sie unter Vertrag, aber kaum ein Fan kennt sie: Mentaltrainer. Bei der TSG 1899 Hoffenheim ist Professor Dr. Hans-Dieter Hermann für dieses Feld verantwortlich. Im Interview mit dem Vereinsmagazin „SPIELFELD“ sprach er über seine besondere Aufgabe beim Bundesligisten.
Samstag, 20.11.2021
Zuletzt war Hermann für die DFB-Mannschaft in Funktion. Zuvor arbeitete er bereits in Sinsheim für die TSG. Seit dem Sommer ist er zurück. Für einen „Neuankömmling“ ist es eine schwierige Aufgabe, die Arbeit unmittelbar perfekt auszufüllen, da ein wichtiges Attribut noch nicht vorhanden sein kann: „Als Externer ist die wichtigste Währung nicht so leicht herzustellen: das Vertrauen. Zuletzt sagte mal ein Spieler am Tag nach einer Trainingseinheit, bei der ich nicht anwesend war: „Wo warst du denn gestern? Ich habe dich gar nicht gesehen.“ Das empfand ich als Kompliment.“
Sein Jobprofil beschreibt er als Ansprechpartner, Zuhörer und Lösungsfinder: „Ich bemühe mich darum, für Spieler und Trainer jederzeit ansprechbar zu sein, ohne dass daraus jedes Mal gleich ein längerer Termin werden muss: Es braucht eine gewisse Selbstverständlichkeit. Man sitzt irgendwo, kommt ins Gespräch – klassischerweise beim Essen – und sagt: Das vertiefen wir nochmal ausführlicher. Gut ist da immer ein lockerer Austausch, wie es auch zum Beispiel mit Physiotherapeut:Innen oder den Athletiktrainern der Fall ist. Ich sehe mich hier als Teil des Teams um die Mannschaft herum.“
Auch, wenn Hans-Dieter Hermann wohl auch für die TSG-Fans ein unbekanntes Gesicht, ist der Mentaltrainer meist gut zu sehen. Hermann sitzt nämlich bei der Trainerbank während der Hoffenheim-Partien. „In erster Linie schaue ich das Spiel an. Dabei erkennt man Dynamiken, kriegt Enttäuschungen mit und auch Hochgefühle. Man sieht, wer das Sagen hat, wer andere pusht und wer eher ein bisschen hadert, in sich zusammensackt. Da spürst du, wem du eventuell ein bisschen mehr Mut mitgeben kannst oder wer eigentlich eine viel dominantere Rolle innehat, als er selbst glaubt. Das bekommst du aber nur mit, wenn du die Spieler wirklich in der Spielsituation erlebst. Denn im Spiel und in der Kabine, da lebt ja die Mannschaft“, erklärt er den Ablauf an einem Bundesliga-Spieltag.
Während den Ligaspielen herrscht logischerweise ein hoher Druck für die Profis des Bundesligisten. Mit der Verarbeitung der medialen und allgemein öffentlichen Aufmerksamkeit haben vor allem jüngere Profis des Öfteren zu kämpfen. Den Umgang mit Druck sieht der Mentaltrainer als sehr persönlich an: „Das ist eine schwierige Frage, weil es sehr individuell empfunden wird. Es beginnt schon mit der Frage: Was ist Druck? Es gibt Fußballprofis, die finden nichts geiler als Situationen, in denen das Publikum pfeift – wenn es die gegnerischen Fans sind. Die allermeisten lieben den Resonanzraum Stadion und erst er lässt sie die Spiele so erleben, wie sie sind. Dafür spielen sie Fußball. Die Performance vor Publikum, die Öffentlichkeit, das ist ja ihr Beruf.“
Das einzige Problem, wo wir haben, dass wir nicht erfolgreich Fußball spielen.
— Jürgen Kohler