Nach Real-Sieg: Viele Eintracht-Baustellen und Fan-Ärger

von Marcel Breuer | dpa13:30 Uhr | 11.08.2022
Eintracht-Coach Oliver Glasner und Torwart Kevin Trapp (r) stehen vor kräftezehrenden Wochen.
Foto: Arne Dedert/dpa

Die heile Europapokalsieger-Welt von Eintracht Frankfurt ist schnell wieder von der Realität eingeholt worden. 

Der titellose Supercup-Kurztrip nach Helsinki samt 0:2 gegen das überlegene Starensemble von Real Madrid deutete die großen Baustellen der Hessen vor einem harten Herbst an: Trainer Oliver Glasner muss in Filip Kostic und Martin Hinteregger zwei Führungsspieler ersetzen, Sportvorstand Markus Krösche muss bis Ende August für Nachschub auf der Kostic-Position sorgen und Präsident Peter Fischer brüllt sich wegen der Fan-Problematik dermaßen in Rage, dass ihm auf offener Bühne die Tränen kommen.

«Real war eine Nummer zu groß und ist nicht unser Maßstab», sagte Krösche in Helsinki. Träumten die Hessen vor dem Kräftemessen mit Toni Kroos und Co. noch von der nächsten internationalen Krönung, blieben ihnen nach dem einseitigen Duell am Ende nur Stolz, viele Silbermedaillen und Erinnerungen an eine denkwürdige Reise durch Europa in den vergangenen zwölf Monaten.

Harter Herbst droht

Für den harten Herbst mit dauerhaft Englischen Wochen wird das der Eintracht aber wenig helfen. Das 1:6 gegen Bayern und das 0:2 gegen Real (Torschützen David Alaba und Karim Benzema) waren zwar Schlappen gegen absolute Spitzenclubs. Dennoch besteht schon vor dem Bundesliga-Spiel bei Hertha BSC mit Ex-Sportvorstand Fredi Bobic am Samstag (15.30 Uhr/Sky) die akute Gefahr eines Fehlstart.

«Das nagt innerlich ziemlich an mir. Ich tue mich schwer, so etwas zu akzeptieren», sagte Chefcoach Oliver Glasner zu später Stunde, seine bedröppelten Spieler hatten das Olympiastadion da schon verlassen. Dann fuhr der Eintracht-Bus um 1.35 Uhr Ortszeit in die laue Sommernacht von Helsinki - diesmal fiel die 2022 fast übliche Siegerparty aus, auch die meisten der rund 10.000 anwesenden Frankfurter Fans hatten schon den Heimweg angetreten.

Die Eintracht hat jede Menge Arbeit vor sich. Glasner ist als Moderator und Mentor gefragt, der Österreicher muss im Jahr eins nach dem berauschenden Europa-League-Titel auch in der Bundesliga Resultate und eine bessere Platzierung als Rang elf liefern. Gelingen muss dies ohne Flügelstar Kostic, den es zu Juventus Turin zieht und der den Hessen mit seinem Tempo, seinen Flanken und seinen rasanten Dribblings fehlen wird. Zum Abschluss des Transfers fehlen nur noch Kleinigkeiten.

Schwerwiegender Kostic-Abgang

«Ich glaube, dass der Abgang von Kostic sehr schwer wiegt. Das war der beste Spieler im letzten Jahr. Ich weiß nicht, ob sie noch nachlegen», urteilte Real-Star Toni Kroos. Glasner geht fest davon aus, dass die erwartete Ablösesumme von rund 15 Millionen Euro zumindest teilweise investiert wird, um die linke Seite nochmal zu verstärken. «Ich gehe davon aus, dass wir noch einen externen Zugang bekommen. Wir haben neben Christopher Lenz keinen Linksfuß für diese Position. Hier wird zeitnah etwas passieren», sagte Glasner.

Auch die Fan-Problematik wird die Eintracht weiter begleiten. Club-Boss Fischer hatte sich am Mittwoch auf dem Fanfest in Rage geredet und von einer Drohung von UEFA-Präsident Aleksander Ceferin berichtet. «Ich saß gestern am Tisch des UEFA-Präsidenten, der sehr deutlich gesagt hat: Ich habe tolle Sympathie für Euch, ihr seid einen klasse Weg gegangen. Aber wenn bei Euch Scheiße passiert, dann heißt das danach Geisterspiel in Frankfurt», erzählte Fischer über das Treffen am Dienstagabend. Die Fans hatten sich in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Verfehlungen geleistet.

Einen Anhänger aus dem Publikum, der aus der ersten Reihe wiederholt in Fischers Ausführungen hereinrief, wies der 66-Jährige harsch und mit deutlichen Worten zurecht: «Ich lass dich jetzt hier rausschmeißen. Ich habe keinen Bock mehr auf so eine Idiotenscheiße. Du kommst einfach nie mehr ins Stadion, was willst du hier?» Im langen Partysommer mit berauschenden Nächten in Sevilla und Barcelona wäre so eine Szenerie eher nicht denkbar gewesen.(dpa)



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