Als Thomas Broich im Sommer 2010 nach Australien ging, galt er in Deutschland als gescheiterter Freigeist. Im offensiven Mittelfeld beheimatet, wusste Broich in Gladbach, Köln oder Nürnberg zwar immer wieder mit enger Ballführung und tollen Pässen zu gefallen. Doch noch mehr haftete dem heute 40-Jährigen ein gewisses Phlegma an, welches ihm trotz aller technischen Fähigkeiten den Unmut so manches Trainers und im knallharten Profi-Business über Umwege den abwertenden Spitznamen „Mozart“ einbrachte. Die feine Klinge schwingt Broich mittlerweile vermehrt verbal, als TV-Experte und Jugendtrainer bei Eintracht Frankfurt.
Thomas Broich
•Mittelfeld•Deutschland
Zum Profil
Gemeinsam mit Jérôme Polenz, ehemals Profi bei Alemannia Aachen und Werder Bremen und späterer Mitspieler Broichs in Brisbane, wurde der gebürtige Münchner während der Corona-Zeit vom Bobic-Vertrauten Sebastian Zelichowski im Jugendbereich der Adler installiert. „Geplant ist: Alle sollen die gleiche Sprache sprechen, alle sollen die gleichen Systeme spielen können. Ansonsten geht es um viele Prinzipien, nach denen wir Fußball spielen lassen wollen“, erläuterte Broich im Gespräch mit der „Frankfurter Rundschau“ die Herangehensweise in der Mainmetropole.
Statt auf Ballbesitz zu setzen wolle Frankfurt „sofort die Tiefe suchen. Wir orientieren uns selbstredend nicht nur an den Profis, sondern auch am Ausbildungsgedanken.“ So möchte man etwa auch in seiner U15 „wann immer es geht von hinten heraus spielen. Das klingt banal, aber das ist im Sinne der Ausbildung unser Anspruch, selbst wenn Fehler passieren. Das ist eine Sache, die wir von allen Mannschaften einfordern.“
Auf diesem Wege könne man die Vereinsphilosophie schon im frühen Alter vermitteln. „Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn wir unten etwas anderes machen als die Profis oben. Wir wollen im Idealfall Spieler entwickeln, die nahtlos den Übergang schaffen, sie sollen mit der Eintracht-DNA vertraut sein. Also mit dem total intensiven Spiel, dem Gegenpressing und der sofortigen Suche nach Tiefe. Sie sollen die Faktoren verinnerlichen, auf denen der Erfolg der ersten Mannschaft fußt“, erklärte Broich, der seine erste Trainerstation als „absolute Erfüllung“ empfindet.
Zudem werde versucht, den Ergebnisdruck auszuklammern. „Natürlich sind wir Sportler und wollen gewinnen. Aber ich unterscheide den absoluten Siegeswillen, den ich von jedem spüren will, von dem Ergebnis“, verwies Broich auf den Einfluss seines früheren Mentors und Trainers Ange Postecoglou. „Ergebnisfußball ist für mich die absolute Katastrophe. Ich verliere lieber ein Spiel mehr in der U15, aber entwickle die Spieler weiter, über die sich dann später mein U19-Trainer freut. Und im allerbesten Fall auch der Profitrainer.“
In Brisbane waren unter Postecoglou „Ergebnisse absolut nebensächlich. Wir haben nie über Ergebnisse gesprochen, sondern nur über die Art und Weise, wie wir Fußball spielen. Auch der Umfang mit Fehlern war sensationell. Dieser Trainer hat Fehler geliebt. Seine Herangehensweise war: Wenn wir nur Dinge machen, die wir ohnehin können, werden wir nicht besser. Das sollten wir als Jugendtrainer vermitteln.“
Erst über die langen und detaillierten Videoanalysen seines früheren Coachs, „hat sich mein Verständnis für den Fußball total verändert.“ Heute sei Broich mit seinem Leben rundum zufrieden. „Die Jobs für die ARD, die Analysen, der kurze Draht zu vielen Leuten in der Bundesliga und darüber hinaus auch mit den 13-, 14-jährigen Jungs eine Oase gefunden zu haben, die mich mega happy macht.“ Der Umweg über Australien hat sich gelohnt.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
— Sepp Herberger