Nervenkitzel ist garantiert - selbst ohne Fans. Obwohl das 102. Duell der Branchenriesen aus Dortmund und München in Corona-Zeiten zum Geistergipfel wird, verheißt die Ausgangslage auch ohne 80.000 Zuschauer im Stadion ein Spektakel.
Nicht nur die imposante Trefferzahl beider Teams, sondern auch deren beachtliche Rückrundenbilanz und das immense internationale Interesse an der Partie schüren die Vorfreude. Bei nur vier Punkten Rückstand könnte der Tabellenzweite BVB dem Abo-Meister der vergangenen sieben Jahre mit einem Sieg bedrohlich nahe kommen. «Beide sind in Top-Verfassung. Es müsste ein Superspiel werden», orakelte Bayern-Legende Franz Beckenbauer in der «Bild».
Ähnlich wie das Champions-League-Finale beider Teams 2013 in London könnte das Kräftemessen am Dienstagabend (18.30 Uhr/Sky) zu einem PR-Highlight für die Bundesliga werden. Schließlich wird sie wegen des frühen deutschen Neustarts des Fußballs nach der Corona-Pause konkurrenzlos in die europäischen Wohnzimmer übertragen, während andere Top-Ligen wie die in England oder Spanien noch pausieren. Münchens Dauerbrenner Thomas Müller versprach den Millionen Zusehern im In- und Ausland höchsten Unterhaltungswert: «Wir marschieren, Dortmund marschiert. Da kann man sich auf Dienstag freuen.»
Nach jeweils neun Siegen in den bisherigen zehn Rückrundenspielen gehen die Dauerrivalen voller Selbstvertrauen in die Partie. Zudem präsentierten sich beide Teams zuletzt in Torlaune. 80 Treffer nach 27 Spieltagen sind dem FC Bayern zuvor noch nie gelungen. Und auch der BVB sorgt mit 74 Toren zu diesem Zeitpunkt für einen Clubrekord.
Nicht nur deshalb erklärte BVB-Sportdirektor Michael Zorc das Gigantentreffen am Montag zu einem Schlüsselspiel im Titelkampf: «Da braucht man kein allzu großer Prophet zu sein. Wenn wir um die Meisterschaft weiter mitspielen wollen, sollten wir gewinnen. Es sind nachher nur noch sechs Spiele zu spielen.»
Ermutigt durch den jüngsten Aufwärtstrend erwartet Lucien Favre deutlich mehr Gegenwehr seines Teams als beim ernüchternden 0:4 in der Hinrunde - als in München noch 75.000 Fans im Stadion jubeln konnten. «Wir sind besser geworden. Wir spielen mit einem anderen System, das besser für unseren Kader ist. Und wir haben im Winter zwei Spieler verpflichtet und haben eine andere Präsenz», sagte der Schweizer Fußballlehrer mit Verweis auf die so wirkungsvollen Transfers von Erling Haaland und Emre Can.
Zudem erinnerte Zorc an die Heimsiege gegen den FC Bayern in der vergangenen Saison in Liga und Supercup: «Es kommt darauf an, dass wir an uns glauben und keine einfachen Fehler im Ballbesitz machen. Wir können sie schlagen.» Ähnlich sieht es Hans-Joachim Watzke: «Das wird ein außergewöhnliches, völlig offenes Spiel», sagte der BVB-Geschäftsführer dem «Kicker».
Als Handicap für den BVB könnte sich erweisen, dass die Gelbe Wand auch diesmal grau bleibt. Doch schon beim 4:0 im Revierderby gegen Schalke gelang der Nachweis, dass im größten Bundesliga-Stadion auch vor leeren Rängen hohe Spielkultur möglich ist. «Emotional ist es sicher anders als sonst - ohne Zuschauer. Es kommt wieder auf die Werte an, die wir schon in den vergangenen beiden Spielen ganz gut auf den Platz bekommen haben. Die Mannschaft war immer auf den Punkt da», sagte Zorc.
Doch auch die Bayern haben die Corona-Pause ohne sichtbaren Substanzverlust überstanden. Nach zwei Erfolgen bei Union Berlin (2:0) und Eintracht Frankfurt (5:2) steuern sie weiter unbeirrt auf Meisterkurs. Doch anders als Zorc würde Trainer Hansi Flick die Partie zwischen dem Spitzenreiter und dem Tabellenzweiten selbst bei einem Sieg seines Teams nicht als Vorentscheidung werten: «Letztlich sind es nach diesem Spiel noch sechs Partien, also 18 Punkte. Egal, wie es ausgeht, es ist keinesfalls etwas entschieden.»
(dpa)
Woran merkt man in Köln, dass Donnerstag ist? Lukas Podolski kommt zum ersten Mal zum Training.
— Udo Lattek