Beim FC Bayern München läuft es – abgesehen vom Aus im Pokal gegen Leverkusen – sportlich rund. Vincent Kompany hat dem Rekordmeister einen aggressiven und dominanten Spielstil eingepflanzt. Oberste Priorität der Bosse: Die Vertrags-Verlängerungen mit den Leistungsträgern. Fussballeck macht eine Analyse und wirft den Blick voraus.
Florian Wirtz
Leverkusen•Mittelfeld•Deutschland
Zum Profil
Bundesliga
Die Trainersuche der Bayern nach dem Aus von Thomas Tuchel im Frühsommer glich einem einzigen Chaos: Unter anderem bei Xabi Alonso, Julian Nagelsmann, Ralph Rangnick, Roger Schmidt und Roberto de Zerbi blitzten die Bayern-Bosse ab. Zwischenzeitlich zerschlug sich auch ein mögliches neuerliches Engagement von Tuchel. Eine weitere Saison ohne Titel darf es nicht geben. Schlussendlich wurde der 38-jährige Belgier Vincent Kompany als Bayern-Coach präsentiert. Der ehemalige Trainer des FC Burnley unterzeichnete einen Vertrag bis Juni 2027.
Und der Effekt des Trainerwechsels fruchtete sofort. Wettbewerbsübergreifend blieben die Münchner in den ersten sechs Pflichtspielen unbesiegt; dabei gab es fünf Siege. Das Positionsspiel steht im Fokus. Die Räume sollen gleichmäßig besetzt werden. Damit sollen die Spieler mehr Anspielmöglichkeiten haben. Kompany möchte eine Überzahl im Zentrum herstellen, die Außenverteidiger rücken in die Mitte ein und laufen nicht nur stur die Linie entlang. Man baut in einer Mischung aus 2-3-2-3 und 3-2-2-3 auf. Joshua Kimmich nimmt eine Schlüsselrolle im zentralen Mittelfeld ein. Der 29-Jährige ordnet das Spiel und kommt auf eine Passquote von starken 93 Prozent. Bewegung lautet das Zauberwort. Die Offensivspieler um Jamal Musiala, Michael Olise, Harry Kane und Co. tauschen ständig die Positionen. Kane und Musiala lassen sich häufig tief fallen, um das Spiel von hinten heraus anzukurbeln.
Andere Spieler sollen in die entsprechenden Lücken hineinstoßen. So kann es durchaus vorkommen, dass Linksverteidiger Alphonso Davies in Mittelstürmer-Position auftaucht. Oder Kimmich lässt sich vom Sechserraum nach rechts außen fallen und baut das Spiel von der Seite auf. Die Münchner wollen somit die Defensive der Gegner manipulieren. Die meisten Teams in der Bundesliga verteidigen eng am Mann. Man tauscht also die Positionen um die Manndecker rauszulocken und dann die entsprechenden Zonen auszuspielen. Überall auf dem Feld wird Manndeckung gespielt und die gegnerischen Spieler werden über das ganze Feld gejagt. Bislang wurden 10316 intensive Läufe gemacht. In der Bundesliga grüßt man nach 14 Spielen von der Tabellenspitze. In der Champions League steht man nach sechs Spielen mit zwölf Punkten auf Platz Zehn der Tabelle. Oberstes Ziel ist eine Platzierung unter den Top Acht. Einziger Wermutstropfen ist das Aus im Pokal-Achtelfinale gegen Bayer Leverkusen.
Doch der Spielstil von Kompany birgt auch Risken: Besonders deutlich wurde dies beim Remis in der Bundesliga gegen Eintracht Frankfurt (3:3) und in den beiden Champions-League Spielen gegen Aston Villa (0:1) und den FC Barcelona (1:4), die beide verloren wurden. Durch die Positions-Rochaden verlor man in diesen Spielen oft den entscheidenden Zugriff. Nach Ballverlust waren die Bayern unsortiert und nicht in der besten Position um an den Ball zu kommen. In der Defensive setzte man auf Eins-gegen-Eins Situationen, eine zusätzliche Absicherung gab es nicht. Somit lief man dem Gegner bei Kontern quasi ins offene Messer.
Doch Kompany erkannte dieses Problem und ließ seine Mannschaft fortan etwas konservativer agieren. Kontrolliertes Chaos lautet die Devise. Der Risikofußball wird zwar weiterhin praktiziert, doch die Abstände werden enger gehalten und das Pressing wird etwas dosierter angewendet. Die Folge der kleinen aber feinen Anpassungen: Bis zum Unentschieden gegen Borussia Dortmund (1:1) blieb man in sieben Pflichtspielen in Folgen ohne Gegentor. Dabei spielte man unter anderem gegen Benfica Lissabon (1:0) und Paris Saint-Germain (1:0) in der Champions League. Dennoch kassierte die Elf von Kompany Stand jetzt bereits vier Saison-Niederlagen.
… Vertrags-Verlängerungen mit den Leistungsträgern Joshua Kimmich und Jamal Musiala. Der Vertrag von Kimmich läuft nur noch bis Sommer 2025. Max Eberl versprach dem Mittelfeldmann im Rahmen einer möglichen Vertrags-Verlängerung sogar die Kapitänsbinde. Doch Kimmich, der seit 2015 in der Allianz Arena spielt, zögert noch mit der Unterschrift. Auch das Gehalt spielt in den Verhandlungen eine große Rolle. Die Bayern möchten die Gehaltskosten senken aber gleichzeitig den Stars entgegenkommen; Kimmich befindet sich in einer guten Verhandlungsposition. Eine Verlängerung gilt als wahrscheinlich, aber ein Abgang scheint nicht unmöglich.
Ebenfalls wichtig wäre eine Verlängerung mit Zauberfuß Jamal Musiala. Der 21-jährige Offensivmann ist vertraglich noch bis 2027 gebunden. Man möchte ihn unbedingt halten und er soll in den nächsten Jahren zu dem Aushängeschild des Vereins werden. Ab dem 1. Januar 2025 könnte er theoretisch bis 2030 unterschreiben. Die Sport BILD berichtete kürzlich von einem möglichen 100 Millionen Euro Gesamt-Paket für den Nationalspieler. Musiala soll über 20 Millionen Euro im Jahr verdienen. Die Vertragslaufzeit soll fünf Jahre betragen. Es wäre somit der teuerste Bayern-Vertrag aller Zeiten (!) Aber: Der Weltklassespieler ist jeden Cent wert.
Deutlich unsicherer ist die Lage momentan für die Flügelspieler Leroy Sane sowie Alphonso Davies (Verträge laufen 2025 aus) Fussballeck veröffentlichte kürzlich einen Überblick und bezifferte die Wahrscheinlichkeit, dass Sane verlängert auf 80 Prozent. Doch mittlerweile haben sich die Vorzeichen geändert: Neuesten Berichten zufolge ist eine Verlängerung unsicherer denn je. Der Nationalspieler müsste auf ca. drei Millionen Euro Grundgehalt verzichten. Die Bayern sollen laut neuesten Medienberichten sogar an einer Trennung im Sommer interessiert sein; ein Abgang im Winter ist jedoch keine Option.
Bei Davies zeichnete sich ein Abgang ab, aber inzwischen gibt es Fortschritte in den Verhandlungen. Denn unter Kompany mauserte sich Davies zu einem wichtigen Stammspieler. Laut Sky-Infos geht Interessent Manchester United davon aus, dass der Kanadier verlängern wird. Wichtiger sind den Bossen um Max Eberl und Co. dennoch die Verlängerungen mit Kimmich und Musiala.
Ebenfalls unsicher ist die Zukunft des Franzosen Kingsley Coman. Der Flügelspieler gilt trotz guter Leistungen als Verkaufskandidat. Mit ihm ließe sich eine gute Ablösesumme erwirtschaften. Leon Goretzka darf bei einem passenden Angebot schon im Winter gehen. Obwohl der 29-Jährige zurzeit Stammspieler ist, hat er keine Zukunft mehr. Wenn Joao Palhinha zurückkehrt, muss Goretzka wohl wieder auf die Bank. Der Deutsche hat sich aber laut „Sky“ entschieden beim FCB zu bleiben. Stürmer Mathys Tel gilt als Kandidat für eine Leihe im Winter. RB Leizpig, Werder Bremen, der FC Villarreal sowie Lazio Rom gelten als Interessenten. Ein Leihgeschäft für den Youngster scheint unausweichlich, denn in München kommt er auf extrem wenig Spielzeit. Bryan Zaragoza, der momentan an den FC Osasuna verliehen ist, hat wohl ebenfalls keine Zukunft an der Säbener Straße. Laut dem britischen Portal „CaughtOffside“ soll ebenfalls Marcus Rashford auf der Liste des Rekordmeisters stehen.
Doch wie sieht es eigentlich mit potenziellen Neuzugängen aus? Laut der „Sport BILD“ steht Tom Bischof von RB Leipzig auf der Liste. Zwischen Sportdirektor Christoph Freund und dem Management des Spielers gab es bereits Kontakt. Der hochveranlagte Mittelfeldspieler wäre im Sommer ablösefrei zu haben. Ein weiterer Kandidat ist Innenverteidiger Jonathan Tah von Bayer Leverkusen, der Nationalspieler wird Bayer im Sommer auf jeden Fall verlassen. Bereits im vergangenen Transferfenster waren die Bayern stark interessiert.
Zu guter Letzt wäre da noch das Transferziel schlechthin: Ausnahmekönner Florian Wirtz, ebenfalls in Diensten von Leverkusen. Der Topstar, dessen Vertrag unterm Bayer-Kreuz 2027 ausläuft, wird mit sämtlichen europäischen Topvereinen und somit auch mit den Bayern in Verbindung gebracht. Ein Transfer des Rechtsfußes wird den kaufenden Verein wahrscheinlich eine Ablösesumme von mindestens 150 Millionen Euro kosten. Die Bayern sind bereits seit acht (!) Jahren an Wirtz dran. Doch bislang waren die Gespräche nie konkret, dass könnte sich schnell ändern. Für Wirtz würde man in der bayrischen Landeshauptstadt die Schatullen weit öffnen.
Intern heißt es, dass man sich einen Transfer dieser Größenordnung trotz der geplanten Sparmaßnahmen zutraut. Doch Max Eberl wiegelte entsprechende Gerüchte zuletzt ab. Am Rande des verlorenen Pokalspieles gegen eben jenes Leverkusen antwortete Eberl auf angebliche Gespräche mit Wirtz gegenüber der ARD: „Bei uns gibt es momentan Gespräche mit den Spielern, mit denen wir verlängern wollen“. Zuvor gab es Gerüchte, dass die Gespräche bereits aufgenommen worden wären. Doch Wirtz wird seinen Vertag wohl vorzeitig um ein Jahr verlängern – unterschrieben ist jedoch laut dem Verein noch nichts. Allerdings sollen die Gespräche diesbezüglich positiv verlaufen.
Ich habe keine Rituale, bloß die Dinge, die man immer gleich macht.
— Michael Ballack