Bisher fielen die angekündigten Proteste gegen den Investoreneinstieg der DFL eher harmlos aus. 12 Minuten Stimmungsboykott und vereinzelte Tennisbälle und Schokotaler, die ihren Weg aufs Spielfeld finden und für kurze Unterbrechungen sorgen. Beim Topspiel am Samstag in der 2. Liga trafen Hertha BSC und der HSV aufeinander und es kam ebenfalls zu Protesten. Zuerst warfen hanseatische Auswärtsfahrer Tennisbälle aufs Feld, in der zweiten Halbzeit dann die Herthaner Fans. Die konnten allerdings für eine Unterbrechung von 32 Minuten sorgen, nach diesem „gelungenen“ Protest stellt sich die Frage, ob man dieses Ausmaß auch bald in der Bundesliga sehen wird.
Die Kommentatoren bei Sky und Sport1 zeigten sich während der Live-Übertragung von dem „zu langen“ Protest genervt. Auch Hertha-Geschäftsführer Herrich empfindet die Proteste zwar als gerechtfertigt, sagt aber auch: „Die Art und Weise ist das Andere. Das war mir deutlich zu lange“. Aber genau das macht einen Protest doch aus, oder? Er soll weh tun, er soll nerven und es soll darüber gesprochen werden. Die Stadionbesucher fühlen sich außen vor gelassen. Für die DFL sind sie fest geplante Einnahmen, aus denen nichts mehr herauszuholen ist und die nur mit ihren Meinungen nerven. Und deshalb müssen sie sich durch solche Proteste selbst wieder ins Gespräch bringen.
Auf den Protest am Samstagabend folgte ein ähnliches Ereignis in Hannover. Am Sonntagmittag trafen Hannover 96 und Hansa Rostock aufeinander. Auch hier waren die Fans „kreativ“. Sie warteten ab, bis das Spiel wieder angepfiffen wird, nur um dann sofort wieder Tennisbälle zu werfen. Achtmal unterbrach Schiedsrichter Alexander Sather die Partie. Die Hannoveraner haben eine ganz besondere Beziehung zur Investoren-Abstimmung. Immerhin hat Präsident Martin Kind entgegen der vereinsinternen Anweisung für Ja gestimmt und war damit entscheidend für den Ausgang. Es ist der einzige Hebel, den die Fans betätigen können, aber der scheint recht effektiv zu sein. Auch das Wissen, die Macht zu haben, einen Spielabbruch forcieren zu können, gibt den Fans eine gewisse Mitsprache und Spielraum.
Im Sport1 Doppelpass wurde über das Ziel der Proteste und den Grund der Unzufriedenheit spekuliert. Dieser sollte jedoch längst klar sein: Die Fans fühlen sich von der DFL hintergangen und links liegen gelassen. Die Argumentation zum Beispiel von Vizepräsident Hans-Joachim Watzke geht völlig an den Werten der Fans dabei. Vom „Anschluss an Europa“ war die Rede und von Digitalisierung und Marketing im Ausland.
Aber was wollen die Fans? Sie wollen keinen Anschluss an Europa um jeden Preis. Kein Kommerz und kein Marketing im Ausland, keine neuen Anstoßzeiten und erst recht keine Pokalspiele in Saudi-Arabien. Sie wollen eine gefühlsechte Bundesliga mit Stadionwurst und Bier. Sie wollen eine Samstagskonferenz mit großen Namen und Traditionsclubs. Die DFL hat sich schon längst von den Fans entfernt und auch ein Rückzieher im Investorendeal würde daran wohl nichts ändern. Die Proteste sind da, um zu zeigen: „Wir sind da! Und wir sind unzufrieden mit der Richtung, die unser Sport einschlägt!“. Und in dieser Message sind viele Fangruppen vereint, auch in der Bundesliga. Man wird sich ab jetzt wohl auf heftigere Proteste einstellen, nachdem in Berlin und Hannover neue Maßstäbe gesetzt wurden.
Weil kaum jemand so kleine Füße hat wie ich, muss ich mich bei den kleinen Jungs bedienen.
— Lautern-Star Wolfram Wuttke (Schuhgröße 6) vor dem 2:2 in Köln, wo er sich die Schuhe eines Jugendspielers auslieh, der das Vorspiel bestritten hatte.