«Sind keine Träumer»: BVB glaubt nicht mehr an den Titel

von Marcel Breuer | dpa15:26 Uhr | 05.05.2019

Bremen (dpa) - Öffentlich kapitulieren wie nach dem Derby-Drama wollte Lucien Favre diesmal nicht. Richtig glauben sie beim BVB nach dem nächsten Tiefschlag im Titelrennen der Fußball-Bundesliga an die neunte Meisterschaft aber nicht mehr.

«Wir sind keine Träumer», sagten Sportdirektor Michael Zorc und Trainer Favre nach dem 2:2 (2:0) bei Werder Bremen unabhängig voneinander. Vor den letzten beiden Spielen sind die Chancen auf die Meisterschale auf ein Minimum gesunken.

Dass in Pizarro ein langjähriger Bayern-Profi den Münchnern wohl den Weg zur 29. Meisterschaft ebnete, war für den BVB mehr als eine bittere Pointe. Es war eine Woche nach dem 2:4-Derby-Drama gegen Schalke die nächste Breitseite. «Das tut unglaublich weh», klagte Mittelfeldspieler Julian Weigl und Zorc räumte ein: «Natürlich ist Bayern absolut in der Pole Position und hat die heute noch ausgebaut.» Der Rekordmeister zog auf vier Punkte davon.

Favre, der aus der Emotion heraus schon nach der Derby-Pleite aufgesteckt hatte, verpackte seine Enttäuschung diesmal im verbalen Gleichklang mit Zorc geschickter. Ein Realist ist der Schweizer aber schon immer gewesen. Zwar haben die Bayern mit den Partien beim Pokalfinalisten Leipzig und gegen den Vierten Frankfurt das schwierigere Restprogramm als der BVB. Die Westfalen aber müssen gegen die wackeren Düsseldorfer und im Prestigeduell bei Borussia Mönchengladbach zweimal siegen. Die Bayern brauchen hingegen nur noch zwei Punkte für den Titel.

Zorcs Durchhalteparolen nach der erneuten Enttäuschung klangen somit verdächtig nach Pflicht-Aussagen für die Fans, die ihre Lieblinge in Bremen per Plakat («Es. Ist. Erst. Vorbei. Wenn. Es. Vorbei. Ist.») nach den zuletzt unglücklichen Favre-Aussagen zum Kampf um den Titel aufgefordert hatten. «Das ist doch unsere Verpflichtung, unsere Aufgabe. So lange rechnerisch noch alles möglich ist, alles dafür zu tun», sagte Zorc nun pflichtbewusst.

Die Spieler ließen eher durchblicken, was auch der neutrale Beobachter vermutete: Das war's. «Es fühlt sich an, als wäre es vorbei», gestand Dortmunds Ex-Bremer Thomas Delaney und Weigl meinte: «Rein rechnerisch bleibt es möglich, aber realistisch wird es sehr, sehr schwer.» Der BVB hätte eine deutlich greifbare Titelchance haben können. Das 2:2 in Bremen war so unnötig wie das 2:4 im Derby.

Eine Stunde lang dominierte der BVB in Bremen. Einziges Problem der Westfalen war, nicht höher als 2:0 durch Tore von Christian Pulisic (6. Minute) und Paco Alcácer (41.) zu führen. Dann kippte das Spiel emotional, weil Werder-Coach Florian Kohfeldt das Club-Idol Pizarro einwechselte. Wie so oft, wenn der inzwischen 40-Jährige ins Spiel kommt, veränderte dies dessen Statik zugunsten der überforderten Bremer. «Ein neues Element kommt rein. Diese Präsenz ist einfach da und das hilft uns weiter», sagte Werder-Kapitän Max Kruse über seinen neuen Sturmpartner. Plötzlich waren die Dortmunder überfordert.

Taktisch schien der BVB von seinem introvertierten Trainer bestens eingestellt. Alles lief nach Plan, bis eben die Emotionen ins Spiel kam, mit denen Favre anscheinend so gar nicht umgehen oder sie erläutern kann. «Wie kriegen manchmal ein Tor, bei dem man sagen kann, es war ein individueller Fehler. Aber das ist nicht immer der Fall. Ich analysiere das ein wenig anders. Nicht heute komplett, aber insgesamt die letzten Wochen», sagte Favre recht wirr. Selbst Werder-Kollege Kohfeldt runzelte in dem Moment die Stirn.

Hilfe von außen bekamen die Borussen, in dem Moment, in dem das Spiel kippte, nicht mehr. Stattdessen brachten zwei krasse individuelle Fehler Dortmund wohl endgültig um die Chance auf den Titel. Keeper Roman Bürki ließ einen unplatzierten Schuss von Kevin Möhwald (70.) durch die Beine gleiten und vor dem emotionalen Höhepunkt beim Ausgleich von Pizarro (75.) verweigerte Manuel Akanji gegen Ludwig Augustinsson jeglichen Klärungsversuch. «Extrem ärgerlich», motzte Zorc über die unerklärlichen Patzer. Und irgendwie auch über die nur noch geringe Titelchance - die ist nicht minder unerklärlich, hat aber auch ein Gesicht: Das von Pizarro, der schon im DFB-Pokal den Titeltraum des BVB beendet hatte.

«Ich versuche immer Tore zu machen gegen jeden Gegner», sagte der Peruaner und grinste verschmitzt. Dass der FC Bayern ihm als Meister und Pokalsieger lieber als der BVB ist, verneinte Pizarro nicht.



Ich finde es schlimm, wie weit wir mittlerweile im Profifußball gekommen sind. Ich habe langsam den Eindruck, es geht nur noch um Geld.

— Harald Schmidt